1980 FORWARD = 4AD

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Spielen Plattenlabel im digitalen Zeitalter noch eine Rolle?Also in einer Zeit, in der der einzelne Song wichtiger, ganze Alben unwichtiger geworden sind? Manche schon – so wie das britische Plattenlabel 4AD. Seit über 30 Jahren überzeugt 4AD als Gesamtkunstwerk: Die Musik, die Musiker, das Layout der Platten, alles war und ist mit bedacht ausgewählt. Heute steht 4 AD besser da als zuvor, mit Künstlern wie Grimes, Zomby und Bon Iver. Davor waren es die Pixies und die Breeders, am Anfang Bands wie Dead Can Dance, This Mortail Coil, Clan of Xymox – eher Dreampop-Gothic-Postpunk als hipper Electro-Scheiß..
4AD war nur eines von vielen Independent-Plattenlabeln, die Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre ins Leben gerufen wurden, um unabhängig von den großen Firmen Musik zu veröffentlichen. Das Grundrezept dabei: Einen Basissound finden, der im Mittelpunkt der eigenen Veröffentlichungen stehen sollte, dazu eine Art Corporate Identity, ein unverwechselbares Design, das diesen Basissound visuell widerspiegelte. 4AD, 1980 von Ivo Watts Russell und einem Partner, der wenig später wieder ausstieg, gegründet, konzentrierte sich zunächst auf Bands, die sich dem düster-entrückten Sound verschrieben hatten. Ursprünglich sollten auf 4AD die Bands getestet und dann an das Geld gebende Beggars-Banquet-Label weitergereicht werden. Die einzige Band, bei der das wirklich so stattfand: Bauhaus. Die anderen Bands, darunter auch die aus Hamburg stammenden Xmal Deutschland, konnten sich aber schon bei 4AD eine kultartige Gefolgschaft erarbeiten.
Auch 4 AD fing in den 80ern an, sich für andere Sounds zu öffnen: Wann genau die „klassische“ Periode der Plattenfirma genau endete, darüber streiten die Fans nach wie vor. Vielleicht Anfang der 90er, als eine Zweigstelle in den USA Rockbands wie die Pixies oder die Breeders unter Vertrag nahm. Vielleicht aber auch schon 1987, als 4AD eine Single veröffentlichte, die erstens so gar nicht zum Programm passte und die zweitens auf Platz Eins der britischen Hitparade landete: M/A/R/R/S/ mit Pump Up The Volume – ein echter Meilenstein für die britische House- und Dancemusic. Eine Zusammenarbeit der beiden beim 4AD-Label unter Vertrag stehenden Bands Colourbox und AR Kane.
4 AD. 1980 gegründet, ist nicht nur über die Jahrzehnte hinweg Garant für gute und überraschende Musik geblieben, sondern heute mindestens genauso relevant wie am Anfang. Was aber macht 4 AD im Gegensatz zu anderen zur gleichen gegründeten Label wie zum Beispiel Mute oder Factory richtig, dass es auch heute so gut dasteht? Die Musiker, natürlich. Zum Beispiel die kanadische Ethno-Popperin Grimes – die mit ihrem schrägen Gesang hervorragend in den Labelkatalog passt. Der derzeitige Chef Simon Halliday ist weiterhin auf der Suche nach einer bestimmten Art von Pop: Ein bisschen abgehoben, einzigartig, avantgardistisch, ohne zu experimentell zu werden. 4 AD ist sich also, auch wenn es sich von der Musik ganz anders als vor 20 oder 30 Jahren anhört, treu geblieben: Man verfolgt nach wie vor eine ästhetische Linie, 4AD ist eher Haltung als eine bestimmte Musikrichtung. Und dann kann es auch mal passieren, dass auf einmal ein Hip-Hopper zur Mannschaft gehört – der ebenso komplexe wie gehypte SpaceGhostPurrp, der mit dem Labelkatalog, mit der Vergangenheit von 4 AD so gut wie nichts anfangen kann.
Wer ist noch dabei? Ein Dubstepper namens Zomby, ein anderer namens Joker. Folk-Star Bon Iver, Blonde Redhead, die vielleicht noch am ehesten zum „alten Sound“ passen. TV on the Radio, obskure und Hipster-Bands wie Ariel Pink, Twin Shadow, Efterklang. Diese Mischung aus Überraschung und Unberechenbarkeit ist im Jahr 2012 das Markenzeichen von 4 AD. Hören wir noch einen Song von der allerneusten Veröffentlichtung: Purity Ring, ein Duo aus Kanada, die vor wenigen Tagen ihr Album „Shrines“ herausgebracht haben. Wer jetzt noch wissen will, wie der Name entstand: Ein Sekundeneinfall und eine krasse Verkürzung der Phrase „1980 Forward“.