Liebe und Hibbeligkeiten


Natürlich kommt es in einer Band, die aus sieben Musikern und einem festen Tonmeister besteht, auch mal zum Streit. Aber bei Feindrehstar ist man ja nicht mehr Mitte 20, heißblütig und aufbrausend, sondern schon bald 40 oder darüber. In so einem Alter, sagt zumindest Friedemann Ziepert, als er per Telefon aus Jena über das neue Werk seiner Band spricht, muss man sich nicht mehr die Köpfe einschlagen, man kennt vernünftigere Wege, Konflikte auszutragen. Zum Beispiel nutzt man die Energie, die aus solchen Streitigkeiten entstehen kann, und spielt sich im Proberaum gemeinsam die Seele aus dem Leib, um sich wieder zu vertragen. „Love & Hoppiness“, der Titeltrack des neuen Albums, ist so ein aus dem Streit entstandenes Versöhnungsstück: „Hoppiness als eine Mischung aus den englischen Begriffen hope und happiness, aus Hoffnung und Glückseligkeit also. Die Message des Stücks – und des ganzen Albums – ist Liebe und Freude!“
Ja, man hat sich lieb bei Feindrehstar, schon seit über zehn Jahren (den Bandnamen gibt es sogar schon 15 Jahre). Und man macht nach wie vor sehr gerne zusammen Musik. Spielfreude könnte man das nennen, aber das würde ein bisschen altmodisch wirken für die Dinge, die auf Love & Hoppiness passieren: 12 Stücke, die viele verschiedene Dinge unter einen musikalischen Hut bringen. Afrobeat und House, Funk und Jazz, Downbeat und Hip Hop. Coole Bläser, wilde Drumloops, Scratches, Gesang, alles zusammen ergibt einen ganz eigenen Sound, der schwer zu beschreiben, aber alles andere als beliebig ist. Die Band, klar, möchte sich dafür eigentlich in gar keine Schublade stecken lassen, aber wenn schon, dann gefällt Feindrehstar am besten der Begriff „Krautclub“. „Traveller-Funk oder Backpacker-House ginge auch noch“, sagt Friedemann Ziepert.
Feindrehstar haben einmal als Hip-Hop-Truppe angefangen, ihr Frontmann war ein gewisser Wendelin Weissbach. Der hatte aber bald keine Lust mehr aufs Rappen sondern interessierte sich mehr für die elektronische Musik und verließ die Band; mittlerweile ist er als Metaboman ziemlich erfolgreich. Auch der Rest von Feindrehstar musste sich da auf eine neue Linie einlassen und fand ziemlich schnell zum live gespielten Clubsound, der immer wieder in andere musikalische Ecken reinschaute. So gesehen ist „Love & Hoppiness“ die Forsetzung des vor fünf Jahren erschienenen Debüts „Vulgarian Knights“. Aber einiges ist dann doch anders: Love & Hoppiness ist toll produziert, immer wieder passieren überraschende und meist ziemlich gut gelaunte Dinge. „Außerdem haben wir unseren Horizont weiter aufgemacht“, sagt Friedemann Ziepert, „wir sind ein bisschen analoger geworden und haben uns noch ein paar Gäste dazu geholt.“ 7 plus 1 Musiker sind also nicht genug, so kamen noch eine zusätzliche Posaune und eine Bassklarinette dazu, um den Sound „anzufetten“. Und Feindrehstar gaben ihrer „Sehnsucht nach Gesang“ nach: mit dem in Berlin lebende Ami Dave Aju gelang ein halb jazziges, halb souliges Stück im Moodymann-Stil. Die kroatische Sängerin Tina Keserovic packte eine alte, ziemlich bekannte Roma-Hymne auf einen Feindrehstar-Beat. Und dann konnte auch noch die ghanaische Musikerlegende Ebo Taylor für einen gemeinsamen Track „gewonnen“ werden: „Wir waren mit ihm in Berlin im Studio verabredet Aber er wusste wohl gar nicht, was ihn erwartete – niemand hatte ihm vorher gesagt, um was es ging“, sagt Ziepert „Als wir ihm das erste Stück vorgespielt hatten, kam keine Regung. Nächstes Stück - keine Regung. So ging das eine Weile – und dann kramten wir irgendwann ein Stück raus, das eigentlich gar nicht für ihn vorgesehen war, da wippte sein Fuß, er verlangte Stift und Papier. Und dann wollte er gar nicht mehr aufhören mit Singen und mit der Gitarre.“ „Antelope“ heißt der entstandene Song.
2008, noch vor dem ersten Album, wurden Feindrehstar einmal für ihre Musik ausgezeichnet, die Band bekam den deutschen „Creole Preis für Weltmusik“: „Der Begriff hat natürlich Geschmäckle, da denkst Du an die Glöckchenhippiebands – aber natürlich sind wir keine Weltmusikband.“ Auch „Antelope“ ist keine reine Afrobeat-Nummer, sondern im typischen Feindrehstar-Sound, der bei allen Tracks erst bei der Nachproduktion entsteht.
Erst wird klassisch im Probenraum gejammt, alle Musiker tragen ihren Teil zu den einzelnen Stücken bei, dann wird aufgenommen, danach alles wieder auseinandergenommen, seziert, neu zusammengesetzt, produziert. „Lässig und cool und frisch“, so Ziepert, „das war unser Konsens. Geile Nuancen sind so entstanden! Und wir sagen nie: jetzt machen wir eine House-Track, jetzt einen Weltmusiktrack, jetzt was Poppiges! Die Songs entstehen so, wie sie entstehen, wir nehmen uns da jede musikalische Freiheit, wichtig ist nur, dass wir einen roten Faden haben. Es braucht diesen eigenen Sound.“ So einfach kann es manchmal sein.