Geschichten aus der Diskowelt

Flower
Auch wenn er selbst das nicht gerne hört: Für einen DJ ist Hans Nieswandt altersmäßig schon recht weit fortgeschritten. Andererseits ist er mit 46 auch noch nicht scheintot. Außerdem kommt bei Hans Nieswandt noch etwas dazu, was keiner seiner auflegenden Kollegen vorzuweisen hat: Er schreibt Bücher über das Auflegen, das Dasein als Schallplattenalleinunterhalter (mit Traktorseratomagixsuperdj muss man ihm gar nicht kommen), seine Zeit als ein Drittel von Whirlpool Productions, womit er sogar mal Nummer Eins der italienischen Hitparade wurde. Jetzt gibt es ein drittes Buch von Hans Nieswandt - DJ Dionysos: Geschichten aus der Diskowelt - und dass es dieses dritte Buch gibt, ist gut und schlecht zugleich.
In meinem ehemaligen Fitnessstudio (wir haben uns vor ein paar Jahren im Streit getrennt) gab es einen Trainer, der hieß Herr Nieswandt. Nicht verwandt und verschwägert mit Hans Nieswandt, soweit ich weiß, aber ein total netter Typ. Auch Hans Nieswandt, den ich persönlich nicht kenne, ist bestimmt ein furchtbar netter Typ, das merkt man am Stil seiner Bücher: Ironisch – vor allem selbstironisch -, immer auf der Suche nach dem Absurden und Skurrilen der Situation, voll mit lustigen kleinen Anekdoten aus dem DJ-Leben des H.N. Dazu kommen beiläufig abgesonderte Exkurse in die Geschichte der Club-, vor allem der Disco- und House-Music.

In seinem ersten Buch – „Disko Ramallah“ – war das, was H.N zu erzählen hatte, noch ziemlich neu und bis dahin unerzählt: DJ-Reisen (meist im Auftrag des Goethe-Instituts) nach Russland, Südamerika, Nahost. Nicht unbedingt die ersten Gegenden, die einem als Hochburgen des Clubbings einfallen. Aber genau deshalb sollte H.N. dort auch hin: Zeigen, was deutsche DJs so draufhaben. In seinem zweiten Buch – „plus minus acht“ – das gleich noch einmal, aber an anderen Orten. Auch o.k., aber nicht mehr ganz neu. Und jetzt? Das gleich noch einmal, wenn auch mit EINER Neuerung: In die Geschichtchen aus dem Wienerwald bzw. aus Südafrika, Vietnam und Sibirien schleicht sich eine fiktive Story über DJ Denis, den Anfänger-DJ, aus dem ein ganz Großer namens DJ Dionysos wird, ein.

So richtig richtig gut aber kann H.N. leider nicht schreiben. Das macht nichts bei den selbst erlebten Storys, denn die haben eine gewisse Eigendynamik und sind irgendwie interessant. Sehr schön zum Beispiel lesen wir da, wie Hans Nieswandt in ein Theaterstück eingebaut werden sollte, in „Romeo und Julia“ („Grundsätzlich hatte sich meine Faszination für Theaterbesuche immer in Grenzen gehalten ...wahrscheinlich wegen meiner schlechten Augen.“) Der Regisseur wollte ihn auf der Bühne Platten auflegen lassen (so weit, so gut) und dann auch noch einen Teil des Stückes neu schreiben lassen – jugendgemäßer. Liest sich schon gut, wirklich, aber bei der erfundenen Geschichte hakt es dann leider doch ein bisschen, da reiht sich ein Klischee ans nächste. Ist aber nicht so schlimm, eine Reihe von selbst erstellten Listen („Dramatische Entwicklungen in der Hörerwunsch-Szene!“, „Potenzielle Projektnamen“ etc.) entschädigt am Ende.

Im Tagesspiegel gibt es eine Rubrik, ein zweigeteilter Fragebogen mit den Überschriften „JA BITTE“ und „NEIN DANKE“. Den durfte neulich Hans Nieswandt ausfüllen. Zwei Antworten fand ich schön, die auf die Frage nach dem schlimmsten Satz für einen DJ („Wow, wenn ich mal so alt bin, möchte ich aber auch noch so gut drauf sein!“) und die nach einem echten Albtraum („Taubheit mit Erblinden“). Ich glaube ja, Hans Nieswandt ist wirklich ein ganz Netter. Aber drei Bücher zum gleichen Thema, die sollten reichen.