Jay-Z und Kanye West: Watch The Throne! Review, wirklich!

Flower
Ausnahmezustand in der Hip-Hop-Welt: Nach monatelangem Warten ist heute das gemeinsame Album von Jay Z und Kanye West veröffentlicht worden – zunächst einmal digital. Watch The Throne heißt das Werk der beiden Rap-Schwergewichte. Was ist so besonders an dieser Platte? Für mich zunächst einmal, dass sie überhaupt fertig geworden ist und veröffentlicht werden kann.

Ziemlich genau 32 Jahre ist es jetzt her, dass der erste Rap-Song eine größere Öffentlichkeit fand. Der Hip Hop hat sich seitdem zu einem der wichtigsten und einflussreichsten Genres überhaupt entwickelt, etliche Untergenres ausgeformt, ungeahnte künstlerische Höhen und Tiefen ausgelotet. Eines ist aber von Anfang an praktisch gleich geblieben: Der Konkurrenzkampf. Es geht nach wie vor darum, wer der beste, erfolgreichste, heißeste, reichste Rapper ist – und deshalb finde ich es umso erstaunlicher, dass es mit Jay Z und Kanye West zwei der besten Hip-Hopper geschafft haben, ein gemeinsames Album aufzunehmen.
Die beiden kennen sich natürlich schon lange – Kanye West hat seinen Erfolg zu einem großen Teil Jay-Z zu verdanken, er tauchte schon früh in einzelnen Songs auf, revanchierte sich dann aber, indem er ein Drittel der Songs auf Jay-Zs Ausnahmealbum „The Blueprint“ produzierte, also den Sound bestimmte. Man kann das wohl so zusammenfassen: Der 41-jährige Jay Z und der 34-jährige Kanye West sind Freunde, dazu kommt aber eine gegenseitige Wertschätzung: Die haben Respekt vor dem, was der andere geschafft hat. Nur ein paar Stichworte: Jay Z ist einer der reichsten Hip-Hop-Künstler, er ist Mitbesitzer eines Profi-Basketball-Clubs, hat eine eigene Kleidungsmarke, selbst seine Frau ist eine Art Trophäe: Die R’n’B-Sängerin Beyonce. Und Kanye West kann 14 Grammys vorweisen, Vier seiner fünf bislang veröffentlichten Alben landeten auf Platz Eins der amerikanischen Charts. Er hat außerdem den gerade in den USA so wichtigen digitalen Markt geknackt, ist nach Download-Verkäufen der zweiwichtigste männliche Künstler.
Und, ist es das erwartete Meisterwerk? Ich glaube, dass diese Platte Zeit braucht, dass man sie noch ein paar Mal hören muss, um Sachen zu entdecken, die die beiden hineingesteckt haben. Klar ist aber: Das ist kein Album, das den Hip Hop völlig neu erfindet oder die beiden auf einem völlig anderen Level zeigt. Im Gegenteil: Das letzte Solo-Album von Kanye West, das zu Recht viel gelobte „My Beautiful Dark Twisted Fantasy“ kommt mir bedeutender und besser vor. „Watch the Throne“ ist gut, wie gut, wird sich zeigen.
Klar, auch ich habe mich im Vorfeld anstecken lassen vom Hype, der um diese Zusammenarbeit gemacht wurde: Erst hieß es, es kämen nur ein paar gemeinsame Songs, dann war die Rede von einem Album. Dann wurde immer wieder das Veröffentlichungsdatum verschoben – das hat mich sehr an früher erinnert, wo man wirklich noch einem neuen Album entgegen gefiebert hat. Und irgendwie dachte ich: Wenn diese beiden Hip-Hop-Supermänner gemeinsam Musik machen, dann wird das überlebensgroß. So aber muss man sagen: Die Raps sind OK, Jay Z übernimmt, mit großer Präzision und „Flow“ meist die Führung und Kanye West folgt oder antwortet, oft sehr emotional. Die Gäste sind OK, mit Frank Ocean haben sie einen derzeit angesagten Sänger verpflichtet, auf einem Song ist auch Beyonce, Jay Zs Frau, zu hören. Dass sie nun über ein Jahr daran gesessen haben, in Abu Dhabi, London, New York, Sydney und in Südfrankreich aufgenommen haben – ich höre es nicht. Zwischen Oktober und Dezember wollen die beiden übrigens mit ihren Songs auf Tour gehen – allerdings nur in Nordamerika.