Moby macht einen auf "Destroyed"!

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Die ganz große Zeit des Richard Hall, den jeder nur als „Moby“ kennt, liegt über zehn Jahre zurück. Damals veröffentlichte er sein Album „Play“, das mit über zehn Millionen verkauften Exemplaren wohl das erfolgreichste Elektronik-Album überhaupt ist. Seitdem kamen einige neue Platten von Moby auf den Markt, bessere und schlechtere – und jetzt ein weiteres: „Destroyed!“ Begleitet von einem gleichnamigen Fotoband – Bilder, die Moby während seiner Tourneen schoss. Die Bilder sind für ein paar Tage in der Seven-Star-Gallery in Berlin-Mitte zu sehen, aber weil ich den Moby zum Interview traf, darf ich mich auch sonst mit ihm befassen.
“Ich bin ein Einzelkind und lebe allein. Ich mag Menschen, aber wohler fühle ich mich ohne sie“, sagt Moby, wie er klein, kahlköpfig und mit angegrautem 1-Wochenbart vor einem sitzt. 45 Jahre ist mittlerweile alt. Moby, Elektronik-Musiker, Veganer, Ex-New Yorker – und seit neuestem, ganz offiziell, auch Fotograf. Sein parallel zum neuen Album veröffentlichter Bildband zeigt Fotos aus den letzten Jahren, entstanden während seiner schier endlosen Tourneen. Ein paar Aufnahmen von seinem Konzertpublikum, ein paar Aufnahmen in Flughäfen und Flugzeugen – und jede Menge Bilder, auf denen niemand zu sehen ist: Aus der Luft aufgenommene Landschaften, verlassene Straßen und Gänge. Und was hat er dazu zu sagen? Das: „Menschen gehen schon in Ordnung, aber ich fühle mich angezogen von stillen, leeren Räumen. Ein leerer Bahnhof interessiert mich viel mehr als ein voller.“
Destroyed – so heißen Platte und Buch. Beide haben das gleiche Coverfoto: Ein gleißend weißer, menschenleerer Gang, auf einem elektronischen Schriftband an der Decke lesen wir das titelgebende Wort. Es ist Teil einer Warnung, eingefangen von Moby auf dem La-Guardia-Flughafen in New York - unbeaufsichtigtem Gepäck wird die Zerstörung angekündigt. Nicht nur dieses, auch viele der anderen Bilder haben etwas Trauriges, Deprimierendes. Damit schließt sich der Kreis zur Musik des Moby, die ebenfalls sehr melancholisch wirkt, vielleicht noch melancholischer als die auf seinen vorigen Alben – fast ein Dutzend hat Moby mittlerweile veröffentlicht: „Ich hoffe, ich bin ganz normal. Manchmal bin ich gut gelaunt, manchmal nicht. Musikalisch tendiere ich allerdings eher zu trauriger, gefühlvoller Musik.“
Das Reisen und Touren macht Moby zu schaffen – die ständigen Ortwechsel verursachen bei ihm Schlafstörungen, in den letzten Jahren noch schlimmer als zuvor. Moby reagierte pragmatisch – er holte, auch da, die Kamera heraus. Sein eigenes Lieblingsbild stammt aus Paris, ein Innenhof, nachts fotografiert. Erhellt von einer seltsamen Kombination verschiedener Lichtquellen, Straßenlaternen, Halogen, fluoreszierendes Licht.
Wie gut Moby als Fotograf ist? Schwer zu sagen. Er selbst gibt an, schon immer Bilder gemacht zu haben, zuerst mit Film und eigener Entwicklung, später mit der Digitalkamera. Einige seiner Bilder sehen großartig aus. Andere, darunter auch ein Selbstporträt, eher lauwarm.
Wenn Moby nachts mit dem Fotografieren fertig war, aber immer noch schlaflos, dann wälzte er sich nicht sinnlos in seinem Bett im anonymen Hotelzimmer, sondern widmete sich seinem wirklichen Beruf, dem Musikmachen. Die Zutaten auf dem neuen Album sind altbekannt: Synthesizer-Flächen, Pianoklänge, hohe Frauenstimmen, manchmal auch Moby selbst. Sehr routiniert, sofort als seine Songs zu erkennen, zum Teil schon mal so dagewesen, auf seinen vorigen Alben. Sehr sehnsüchtig und voller Pathos – Moby bemüht zur Erklärung die religiöse Mystik des Sufismus: “Die Sufis glauben, dass wir Zeit unseres Lebens niemals das wahre Glück finden können, auch wenn wir es herbei sehnen- und Kunst und Musik sollten diese Sehnsucht widerspiegeln. Ich verstehe diesen Gedanken total.“
Gerade ist Moby von seiner Heimatstadt New York nach Los Angeles umgezogen. Es ist ihm zu voll geworden – und zu langweilig in diesem Manhattan, in dem die Mieten eigentlich nur noch von Bankern gezahlt werden könnten – und natürlich von ihm selbst, der Erfolg seines Albums „Play“ vor über zehn Jahren macht es möglich. Theoretisch hätte sich Moby, der Musiker, schon lange zur Ruhe setzen können. Oder zumindest mit dem Reisen, das ihm das Leben so schwer macht, aufhören können. Warum tut er es nicht? “Ich bin 45 Jahre alt und werde bald nicht mehr so ausgiebig touren können. Aber vielleicht bin ich auch nur ein Masochist.“