Besser Talib als Taliban

Flower
Was tut sich im Hip Hop, was tut sich in der Rap-Musik, die sich Ende der 70er Jahre von New York aus aufmachte, die Welt zu erobern? Man hat das Gefühl: Nicht mehr allzu viel. Jedenfalls nicht allzu viel Neues – das Genre steht nicht still, aber bewegt sich im Tempo eines alten Mannes. Aber natürlich gibt es nach wie vor neue Hip-Hop-Alben, die einen begeistern können. So wie das neue von Talib Kweli, der aus der Geburtstadt des Hip Hop kommt. „Kweli“ bedeutet „Wahrheit“. Und „Talib“ Schüler - genauso wie „Taliban“. Das war’s dann aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten.
„Gutter Rainbows“ ist Talib Kwelis fünftes Solo-Werk, er ist einer der wenigen übrig gebliebenen Vertreter des so genannten Conscious Rap – des gesellschaftskritischen Sprechgesangs, der sich zum Gangster-Rap verhält wie ein gutes Buch zum billigen Comic.
Musikalisch hört man das Talib Kwelis neuer Platte nicht unbedingt an: Er setzt, wie schon bei seinen vorigen, auf sehr gefällige, eingängige Jazz-, Disco- und Soulsamples. Und auch seine Art zu rappen ist mitunter so entspannt und samtig, dass man als nicht Muttersprachler vergisst, dass hier wirklich jemand was zu sagen hat. Wie ein Motivator spricht der mittlerweile 35-Jährige zu uns, seinen Hörern, er verspricht, „den Stimmlosen eine Stimme zu geben, den Hoffnungslosen Hoffnung“. Tagebuchartig kommen seine Texte rüber, es geht um Liebe und Ruhm und den großen Hip-Hop-Zirkus, aber auch um illegale Einwanderung und die Anstrengung, sich in einer Gesellschaft wie der amerikanischen zu behaupten.
Spannend ist, wie Talib Kweli an dieses neue Album herangegangen ist: Für die 14 Songs hat er 13 verschiedene Produzenten eingespannt. Von der Handvoll Gastsänger und –rapper gehört keiner zu den ganz Großen – ihre Auswahl dürfte vor allem musikalische, nicht kommerzielle Gründe haben. Außerdem ist Gutter Rainbows ganz unabhängig erschienen, eine echte Eigenproduktion ohne irgendwelche Verbindungen zu den Major-Plattenlabeln, für Kweli die erste echte Indie-Hip-Hop-Platte. Dass trotzdem kein Bruch zu seinem bisherigen Werk zu bemerken ist, zeigt, wie sehr er auch früher schon die künstlerische Kontrolle über seine Musik hatte.