Zehn Gründe, zehn Alben, zehn Meinungen

Flower
Wie eine niemals endende Riesenradfahrt dreht sich Woche für Woche die Hitparade, besser bekannt als Top-10 – aufgelistet werden die Alben, die sich in dieser Woche am besten verkauft haben. Zu diesen Platten gibt es viel zu sagen. Frisch aus dem Urlaub zurück, bin ich allerdings ein bisschen enttäuscht. Anstatt neue, aufregende Platten immer noch die alten Nasen. Na ja, nicht nur, aber auch.
Und ein paar besonders alte Nase finden sich auf Platz 10: Volbeat mit ihrem „Outlaw Gentlemen and Shady Ladies“. Vor fünf Monate zum ersten Mal in der Top-10 vertreten, jetzt wieder da. Klar, die dänischen Ha-ha-Hart-Rocker waren in letzter Zeit sehr präsent, unter anderem beim Rock’n’heim-Festival – deshalb begegnet sie uns hier wieder, diese Musik für richtige Kerle.
Auf Platz 9 ebenfalls Altbekanntes – und die schönste Frau Deutschland, wenn man denn meinem Vater trauen darf: Helene Fischer mit ihrem „Best of“-Album. Kann Musik, die so vielen Menschen etwas gibt, schlecht sein? Ja, kann sie. Valium gibt ja bekanntlich auch vielen Menschen etwas, aber ist nicht ohne Grund rezeptpflichtig. Meine Forderung an den Gesetzgeber: Verschreibungspflicht für die 29-jährige Schlagerhelene!
Platz 8: Santiano – Bis ans Ende der Welt.
Ganz ehrlich, da fährt man einmal in den Urlaub, hofft, dass bei der Rückkehr der Santiano-Spuk endlich vorbei ist - und dann das: die Süßwassermatrosen sind nicht nur einmal, sondern gleich doppelt in den Charts vertreten. Aber vielleicht hilft ja folgendes Gedankenspiel: Wenn man auf eine einsamen Insel müsste und nur eine einzige Platte mitnehmen dürfte – wäre das dann wirklich Musik von Santiano? Eben!
Platz 7: Alligatoah – Triebwerke
Auch in der dritten Woche noch in der Top-10, dieser angeblich so humorvolle Hip-Hop-Wahlberlin. Seine Witze erinnern mich aber vor allem an seinen nackten Hintern, den er uns von seinem Albumcover entgegenstreckt: Ein bisschen blass, nicht allzu knackig und kein Stückchen sexy.
Platz 6: Travis – Where You Stand
Allein dafür, dass die schottische Band Travis nie versucht hat, ihren melancholischen Sound stadiontauglich aufzublasen, sollte man sie lieben. Gut, diese Verweigerung machte den Weg frei für die Nervensägen von Coldplay, aber das konnten Fran Healy und seine Travis-Mitstreiter ja nicht ahnen. Where You Stand? Gute Platte!
Und noch eine gute Platte: Xavier Naidoo „Bei meiner Seele“ auf Platz fünf. Wer so viel Hass abbekommt wie Xavier Naidoo, aber trotzdem so entspannt bleibt wie Xavier Naidoo, der hat entweder die richtigen Drogen oder die richtige Lebenseinstellung. Oder beides.
Apropos Drogen: Platz 4: Helge Schneider – Sommer, Sonne, Kaktus.
Deutschland, dieses nicht sonderlich tolerante Land in der Mitte Europas, hat sich vor Jahren einmal entschieden, sein Herz für witzige, wahnsinnige, clevere, geniale Musiker zu öffnen, die Helge Schneider heißen. Ein einziger nur meldete sich und bedankt sich für die Aufmerksamkeit und Zuneigung mit witzigen, wahnsinnigen, cleveren, genialen Songs.
Auf Platz 3: Nazar mit seinem Album Fakker Lifestyle.
Als der „österreichische Bushido“ ist Nazar mal bezeichnet worden. Was für ein Unsinn! Der Wiener Nazar mag seinen Gegner zwar damit drohen, auf ihr Grab zu onanieren, aber er tut das auf seinem vierten Album so halsbrecherisch schnell, so gekonnt und, ja, manchmal auch sehr reflektiert und clever, dass man ihm dafür nicht böse sein kann. Das ist die hohe Kunst des Rappens auf betonharten Beats.
Platz 2: Santiano – Mit den Gezeiten
Alles ist schon zu dieser Unterhaltungsmusik für Fischstäbchen gesagt, also lieber gleich zu Platz 1, auf dem es allerdings ähnlich verdreht zugeht: Ganz oben in dieser Woche liegen nämlich Saltatio Mortis mit ihrem „Schwarzen Einmaleins“. Wer tanzt, stirbt nicht, behaupten diese Mittelalter-Rocker. Ich sage: Wer stirbt, tanzt nicht. Beide haben wir recht, Saltatio Mortis haben allerdings auch noch grausame Musik, das schlechteste Cover in der Geschichte der Rockmusik und die hirnlosesten Künstlernamen, die man sich so ausdenken kann. Offenbar alles wichtige Zutaten, um in Deutschland viele Platten zu verkaufen.