Ist es ein Trick? Nein, es ist Tricky!

Das ist wirklich Typisch Tricky: da sitzt er also in einem Café namens Ungeheuer, mitten im Berliner Trend- und Schmuddelbezirk Neukölln. Um den Kopf ein Tuch geschlagen, das ihn wie eine Art Tupac Shakur aussehen lässt. Und er redet über Killer und Auftragsmörder. Die nämlich sind verantwortlich für den Titel seines neuen Projekts: Skilled Mechanics. Übersetzen lässt sich das mit „gelernter Handwerker“, also eigentlich ganz harmlos. Aber Tricky hat den Begriff aus einem Dokumentarfilm, in dem ein Ex-C.I.A.-Agent so seine mordenden Mitarbeiter bezeichnete. „Sehr düster, sehr zynisch, da kam mir sofort die Idee, diesen Namen für mich zu benutzen“, sagt Tricky im Interview. Trickys „Skilled Mechanics“ existieren wirklich, für seine neue Platte hat er mit einer Reihe von Menschen zusammengearbeitet. Nicht nur, wie sonst, mit verschiedenen Sängerinnen, sondern zusätzlich auch noch mit anderen Produzenten. DJ Milo zum Beispiel ist mit dabei, ein alter Freund und Mitstreiter aus Bristol, ursprünglich Teil der Wild-Bunch-Crew, aus der die Trip-Hop-Stars von Massive Attack entstehen sollte. Und noch eine Neuheit: Tricky lässt diesmal nicht nur Frauen wie Francesca Belmonte und die dänische Singer-Songwriterin Oh Land singen, sondern auch einen Mann, seinen sehr sanft klingenden Tour-Schlagzeuger Luke Harris. Skilled Mechanics also, die wie bezahlte Söldner nur den musikalischen Willen von Tricky umsetzen? „Nein, natürlich nicht, das sind eigenständige Künstler. Aber mir selbst fällt das Singen einfach nicht so leicht. Es dauert sehr lange, bis ich das richtig hinbekomme und es ist mühsam. Aber ich will die Musik nicht als Arbeit sehen, sondern ich möchte da leicht und relaxt rangehen können. Deshalb ist es wirklich gut, wenn andere meine Lieder singen.“
Tricky selbst ist auch zu hören, zum Beispiel auf einem Song namens „Boy“. Einmal mehr geht es darin um die Vergangenheit Trickys, der vor 48 Jahren im englischen Bristol als Adrian Thaws zur Welt kam. Der jamaikanische Vater verließ die Familie vor der Geburt, die Mutter brachte sich um, als Tricky vier war. Von da ab kümmerte sich die Verwandtschaft um ihn: „Meine Großmutter war weiß, mein Onkel war weiß, aber ich nicht. Ich wuchs in zwei verschiedenen Welten auf, habe viel jamaikanische Musik gehört, aber auch Marc Bolan, T. Rex, Gary Numan. Ich ging in Clubs, wo nur Dancehall Music lief, wo sich kein Weißer reintraute. Aber auch ins Robin’s, einen Club für Fußball-Hooligans, wo ich der einzige Schwarze war. Ich war in beiden Welten zu Hause und hatte das Glück, von einer Seite des Zauns auf die andere Seite gehen zu können.“
Seiner Musik hat man diese verschiedenen Seiten schon immer angehört. Auch sein neues Album klingt unverkennbar nach Tricky: vertrackte Rhythmen, erotisch angehauchte Stimmen, Trickys heiserer Gangster-Sprech, electropoppige Sounds, Hip-Hop-Anklänge, Club-Atmosphäre. Insgesamt dreizehn Stücke, manche nicht einmal zwei Minuten lang, das längste gerade mal dreieinhalb. Entstanden in seinem Apartment in Berlin, wo Tricky seit April 2015 lebt. Ein kommerzielles Studio kommt für den englischen Musiker nicht in Frage, dazu ist seine Arbeitsweise zu eigenwillig, immer wieder unterbricht er seine Produktionen, verwirft Songideen, geht raus, um einen Kaffee zu trinken und dabei einen klaren Kopf zu bekommen. Unmöglich, wenn dabei immer die Uhr mittickt und die Rechnung größer und größer wird. Also ist das Skilled-Mechanics-Album sein Berlin-Album, so wie auch David Bowie oder Depeche Mode ihre Berlin-Alben haben? „Nein, das kann man so nicht so sagen. Es ist ein Tricky-Album und da ist egal, wo es entsteht. Plattenfirmen oder Journalisten brauchen vielleicht so eine Schublade, aber nehmen wir nur mal die alten Massive-Attack-Sachen, die immer unter „Sound of Bristol“ liefen – die sind zum Teil in London entstanden! Mein ganzes Maxinquaye-Album habe ich in London gemacht.“ Trotzdem: irgendwas macht Berlin mit Tricky, die Stadt gefällt ihm, sie lässt ihn offener werden, entspannter. Das liege auch an den Menschen hier, die meisten kümmere es gar nicht, was sie anziehen würden, sie seien auch nicht so aufs Shoppen aus, sagt Tricky, und sie interessiere es nicht, was andere tun: „In Los Angeles war das anderes, da shoppt jeder, weil es dort gar nicht so viel zu tun gibt. Als ich dort wohnte, hatte ich zum Beispiel mehrere Autos – und nicht mal einen Führerschein! Hier in Berlin bin ich viel mit dem Fahrrad unterwegs.“
Adrian Thaws alias Tricky wird immer noch als der „Pate des Trip Hop“ bezeichnet, als Godfather of Trip Hop“, seine Stimme verlieh den Produktionen von Massive Attack die gewünschte Düsternis. Er selbst kann damit nichts anfangen, es ärgert ihn sogar: „Trip-Hop, das ist ein Begriff für eine Musik, die nicht existiert. Es ist ein dummer Begriff, es hört sich blöd an. Und Was soll das sein, einTrip-Hop-Pate? So etwas gibt es doch gar nicht. Außerdem ist das für jeden Musiker ein gefährliches Spiel, sich in eine Schublade stecken zu lassen. Ist es mit der Musik, für die du stehst, vorbei, dann ist es auch mit dir vorbei!“ Seit Jahren aber gibt es Gerüchte, dass Massive Attack und Tricky noch einmal zusammenkommen wollen, um neue Songs einzuspielen: „Ich dachte, das wird nie passieren! Aber jetzt sieht es wirklich so aus, als würden wir wieder zusammenarbeiten.“ Aber macht ihn das glücklich, wenn als nächstes so eine vermutlich sehr öffentlichkeitswirksame Kollaboration stattfände? „Mein Manager sagt: mach das, Du willst doch gehört werden! Aber für mich fühlt es sich wie ein Rückschritt an.“