Bumm Bumm Bumm Juni 2011

Flower
Von Baile Funk über Hip Hop zu Electro geht sie hier, die musikalische Spur in der neuen Bumm-Bumm-Bumm-Kolumne, die sich im Berliner Tagesspiegel auch als „Spreelectro“ finden lässt. Mit dabei ist Deutschlands Techno-Star-Nummer-Eins, Paul Kalkbrenner. Berlins Baile-Funkeiro-Nummer-Eins, Daniel Haaksman. Und die Dauergäste im Hip-Hop-Provokanten-Stadl, K.I.Z. Große Namen, große Musik, viele Worte.
Paul Kalkbrenner – Icke wieder (Paul Kalkbrenner Musik)

Da ist es also, das neue Album von Berlins einzigem wirklichen Technostar. Und bevor ich verrate, was ich davon halte, eine Erklärung in eigener Sache: Ich bin Fan von Paul Kalkbrenner, schon immer gewesen, seit vor über zwölf Jahren die ersten Maxis des „Paul db+“ herauskamen. Jahrelang eröffnete ich meine Radioshow mit seinem kurzen Track „Krank“, Kalkbrenners Version eines Erich-Fried-Gedichts. Kalkbrenner-Tracks waren schon damals oft melancholisch angehaucht, der Bass druckvoll, es passierte gar nicht so viel, aber das, was passierte, reichte vollkommen aus. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. „Icke wieder“ ist sofort als Kalkbrenner wiederzuerkennen, einige Melodien und Sounds glaubt man schon vor Jahren mal gehört zu haben. So wollte es der 1977 geborene Friedrichshainer und als Fan finde ich großartig, dass Kalkbrenner, dessen Leben durch seine Hauptrolle im Film „Berlin Calling“ eine krasse Wendung erfahren hat, einfach weitermacht, als wäre all der Wahnsinn nicht passiert. Klar, seine Musik ist gut ist, aber wie kann das sein, dass jemand, der einfach nur Techno produziert, so angesagt ist und gleich zwei Tage hintereinander die Wuhlheide-Bühne ausverkauft? Meine Erklärung: Was die Ärzte für den Fun-Punk sind, ist Paule inzwischen für den Techno.

K.I.Z. – Urlaub fürs Gehirn (Vertigo Berlin)

Hip Hop bei Spreelectro? Ja, bei K.I.Z. geht das schon in Ordnung, denn auch wenn das neue Album der Berliner Rapper nicht mehr ganz so sehr mit dem Electro flirtet wie seine Vorgänger, ist das Effekt-Gewitter beeindruckend. Und dann sind ja noch der Vocoder und der dicke Techno-Bass, die abgehackten Beats im chopped-and-screwed-Stil. Und inhaltlich? Unglaublich, wie K.I.Z. den Spagat hinbekommen: Der hirnlose Hörer darf sich über platten Fäkalhumor freuen, der Durchschnittsmensch mag bei der Zeile „Das Leben eines Hippies ist hart“ zustimmend mit dem Kopf nicken – und der Intellektuelle kann versuchen, all die popkulturellen Anspielungen, die K.I.Z. ausspucken, auseinander zu friemeln. Harter Stoff, provozierend, extrem unterhaltend. Und dann auch noch so gut produziert.


Daniel Haaksman – Rambazamba (Man Recordings)

Vor Jahren hat der Berliner DJ und Produzent Daniel Haaksman an einem Tagebuchroman mitgeschrieben – belanglose Geschichten von drei Mitzwanzigern, die sich in der Club- und Großstadtwelt langweilen und das gleiche ihren Lesern antun. Keine zehn Pfennig hätte ich damals darauf gewettet, dass Daniel Haaksman einmal eine so spannende und mitreißende Platte produzieren würde wie jetzt geschehen. Rambazamba ist eine Reise durch Sounds und Effekte, durch Stile und Genres, immer voller Druck, voller Energie. Club-Musik, die den „Sound einer hyper-beschleunigten und globalisierten Welt reflektiert, in der musikalische Genres so zusammenschmelzen, dass ihre Ursprünge nicht mehr erkennbar sind“, so schreibt die Plattenfirma Man Recordings dazu – und das darf man dann ruhig glauben, denn Daniel Haaksman ist gleichzeitig Chef dieses Labels. Er war einer der wenigen Europäer, die sich innerhalb der in der Baile-Funk-Szene einen Namen machen konnten: Baile Funk, eine Art brasilianische Electro-Hip-Hop-Bass-Music. Haaksmans Debütalbum ist ohne den Baile Funk nicht denkbar, aber es spielen sich noch viele andere musikalische Geschichten darauf ab. Hoffentlich kommt er jetzt nicht auf die Idee, es doch noch mal mit dem Schreiben zu versuchen!