Eurosonic? Da geht doch was!

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Was vor 27 Jahren als musikalischer Schlag- abtausch zwischen einer Handvoll lokaler Bands begann, gilt mittlerweile als die wichtigste europäische Musikkonferenz: Das Eurosonic Festival im niederländischen Groningen. Vier Tage, von Mittwoch bis Samstag, war ich dort, schön untergebracht in einem Hotel-Bunker, und ließ mir unter anderem erzählen, wie Eurosonic-Chef Peter Smidt sich das Spektakel 1986 ausgedacht hat.
Am Anfang gab es keinen wirklichen Plan, sondern nur eine fixe Idee. Sagt Peter Schmidt, der 1986, also vor 27 Jahren, das inzwischen „Eurosonic Norderslag“ betitelte Spektakel ins Leben rief - eine Mischung aus Festival und Musikkonferenz im niederländischen Groningen. Zwanzig holländische und belgische Bands brachte er damals auf die Bühne, um sie an einem Abend dem lokalen Publikum und der Presse zu präsentieren. Aus einem Abend wurden vier, mittlerweile kommen beim Eurosonic ein paar hundert Bands aus ganz Europa zusammen. Seltsam sei es, sagt Peter Smidt weiter, dass amerikanische Musiker so einfach in die verschiedenen europäischen Märkte eindringen könnten, während man sich mit dem Musikaustausch in Europa selbst so schwer tat und tut: Für eine deutsche Band sei es zum Beispiel nach wie vor kompliziert, in Holland oder Frankreich Fuß zu fassen – dabei bräuchten Musiker doch ein möglichst großes Publikum, um von ihrer Kunst leben zu können.
Es geht auf dem Eurosonic also um europäische Musiker, die den europäischen Markt anpeilen, aber noch relativ neu im Geschäft sind. Eine von ihnen ist die estländische Sängerin Iris: Anfang 20, wirkt sie mit Piepsstimme und geschätzten 1 Meter 60 wie ein kleines Mädchen. Im Interview mit der MTV-Legende Ray Cokes präsentiert sie sich aber als selbstbewusste Entertainerin. Ray Cokes so: „Would you like a drink?“ Sie so: „Yes!“ Er so: „What sort of drink?“ Sie so: „Alcohol!“
Alkohol – wichtiger, aber sicherlich nicht der wichtigste Bestandteil der so gut funktionierenden Groninger Mischung. Denn beim Eurosonic wird vor allem gearbeitet. Die Bands präsentieren sich den zahlreich aus ganz Europa angereisten Musikjournalisten – um möglichst viel Publicity zu bekommen. Und sie spielen für die Vertreter des Musikbusiness – man hofft darauf, auch als Newcomer für die kommenden Festivals gebucht zu werden.
Auf ein paar Festivalbookings für den Sommer warten auch noch „Tonbandgerät“. Die vierköpfige Hamburger Band um Sänger Ole und Songschreiberin Sofia hat letztes Jahr den New Music Award der ARD-Jugendradios gewonnen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Eurosonic-Bands singen „Tonbandgerät“ nicht auf Englisch, sondern in ihrer Muttersprache – und verzichten auch darauf, den Inhalt ihrer Songs zu erklären. Der Auftritt von Tonbandgerät findet in der „Muziekschool“ statt, eine von Dutzenden eng beieinanderliegenden Konzerthallen, die beim Eurosonic in Groningen zum Einsatz kommen. Der Raum ist gut gefüllt, ein paar Fans sind gekommen, die tanzen und mitsingen, der Rest des Publikums steht dem Ganzen eher abwartend-cool gegenüber. Tonbandgerät, so heißt es im Kurzinfo zum Auftritt, würden in die Fußstapfen von „Wir sind Helden“ treten.
Ole von Tonbandgerät so: „Das haben wir auch gelesen und haben uns richtig doll gefreut. Denn „Wir sind Helden“ ist ja eine richtig super Band und es gibt ja tausend schlimmere Sachen, mit denen man verglichen werden kann. Also wir haben uns gefreut, oder?“ Sofia von Tonbandgerät so: „Ja, auf jeden Fall. Aber so richtig nah ist es jetzt nicht ... na ja, die singen auch auf Deutsch.“
Festival-Konferenz wird das Eurosonic auch genannt - Vertreter von 400 Festivals kommen Jahr für Jahr nach Groningen, um sich ihre Bands für den kommenden Sommer zusammenzubuchen. Es wird aber auch viel diskutiert, jeden Nachmittag stehen Gesprächsrunden und Vorträge auf dem Programm. Hauptthema in diesem Jahr: Nicht mehr der Niedergang der Musikindustrie, sondern die Chancen, die die neuen Medien und Technologien mit sich bringen – vor allem vom Streaming versprechen sich die Branchenvertreter viel: Der Kunde muss Musik nicht mehr kaufen und besitzen, um sie hören zu können, sondern lässt sie sich übers Netz vorspielen – und davon wollen auch die Musiker selbst stärker profitieren. Ein langwieriger Prozess – wie überhaupt so vieles in Groningen lange dauert, sagt Christoph Storbeck. Er ist als Agent für eine Reihe von Bands auf der Eurosonic unterwegs. Erfolg, so sein Fazit nach vier Tagen, lässt sich hier nicht wirklich messen: „Weil: viele Themen sind Aufbauthemen, die lange Jahre dauern, bis sich da jemand dafür richtig interessiert und die dann idealerweise durch die Decke gehen. Da benötigt es meistens schon mehrere Eurosonics plus Reeperbahnfestival, plus vielleicht Midem, plus andere Branchenveranstaltungen – aber ist schon sehr produktiv hier, ich kann es schon sehr empfehlen.“
So war das also in Groningen ...

Dieser Text liest sich vielleicht ein bisschen anders als sonstige hier beim Technoarm. Kein Wunder: Das war nämlich die leicht veränderte Abschrift eines Radiobeitrags.