Irgendwie ein Techno-Pionier: Jean-Jacques Perrey ist tot

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Es gibt Menschen, für die ist Jean-Jacques Perrey der Pate der Techno-Musik. Bzw.: er war es! Der französische Komponist und Pionier der elektronischen Musik ist nämlich am Freitag in der Schweiz im Alter von 87 Jahren an Lungenkrebs gestorben. Wie das manchmal mit Pionieren so ist: sie sind nicht immer groß herausgekommen – auch Jean-Jacques Perrey gehört zu den eher Unbekannten. Warum er trotzdem wichtig war? Aus vielen Gründen!
Fängt ja schon damit an, was Jean-Jacques Perrey geleistet hat! Seine größte Errungenschaft war wohl: die abstrakte, sehr technologische elektronische Musik der Anfangsjahre für ein großes Publikum zugänglich gemacht zu haben. Das lief über zwei Schienen: auf der einen Seite brachte er die Menschen zum Staunen mit seinen Sounds, zum anderen fand er sehr witzige, eingängige Melodien. Auch deshalb wurde seine Musik immer wieder in Zeichentrick-Filmen und in der Werbung benutzt – übrigens bis heute: auch bei den Simpsons und in South Park! Und nicht zuletzt hat er Dutzende Alben aufgenommen, meist mit dem Moog-Synthesizer, die ihn als kreativen Musiker zeigen. Jean-Jacques Perrey war einer der ersten Europäer, der überhaupt mit elektronischen Instrumenten gearbeitet hat. Aber wie kam er denn überhaupt dazu, denn eine klassische Musikausbildung hatte er nicht? Eigentlich wollte Perrey Arzt werden und hat vier Jahre lang Medizin studiert. Aber er konnte Akkordeon spielen und während seines Medizinstudiums wurde er vom Erfinder der so genannten Ondioline angesprochen, ob er sich dieses Instrument nicht mal ansehen wolle. Eine Ondioline: eine Art Synthesizervorläufer, die aussah wie eine Heimorgel und die andere Instrumente, zum Beispiel Geigen, ziemlich gut imitieren konnte. Die hatte es Perrey angetan, er schmiss das Studium und wurde dann Vertreter für dieses Instrument. Dabei lernte er es nicht nur zu spielen, sondern es brachte ihn mit vielen Menschen in Kontakt. Auch mit Edith Piaf - und die vermittelte ihm Kontakte und eine Reise in die USA – wo er weitere Musiker kennenlernte, die sich ebenfalls für elektronisch produzierte Musik interessierten.
Seine Songs waren auf der einen Seite von sehr sanften, fast schon liebliche Easy-Listening-Melodien bestimmt. Aber es gab auch sehr schräge, so genannte Space-Age-Sounds, darin. Schon in den 50er- und 60er-Jahren nahm er mit seinem Rekorder Alltagsgeräusche auf und bastelte daraus Rhythmen und Melodien. Das nannte sich zwar noch nicht Sampling, war es aber de facto – und wir wissen ja: ohne Sampling wären Hip-Hop und Techno-House-Electro wohl nicht möglich gewesen. Allerdings gab es damals ja noch gar keine Sampler, keine Computer, das war Handarbeit. Für seine Version von Rimski-Korsakovs „Hummelflug“ nahm Perrey zum Beispiel etliche Stunden in einem Bienenstock die Tiergeräusche auf, dann verfremdete er die Sounds, zerschnitt die Tonbänder zu wirklich kleinen, manchmal nur zentimeterlangen Stücken – um dann alles neu zu arrangieren!
Finanziell ausgezahlt hat sich diese Pionierarbeit übrigens nicht, obwohl seine kleinen Werke oft in der Werbung oder auch in Stanley Kubricks „2001“ benutzt wurden - und auch viele Hip-Hopper Ende der 80er, Anfang der 90er Perrey wiederentdeckten, von Dr. Dre bis zu den Beastie Boys wurden seine Stücke gesampelt. Aber Perrey hatte keine Verlagsrechte an den Songs. Also eigentlich eine traurige Gestalt, dieser Jean-Jacques Perrey, könnte man denken, stimmt aber nicht: Er war nämlich gar nicht traurig, dieser Mann! Ein großer Spaßmacher, weshalb sich seine Musik auch eher nach Austin Powers als nach Stockhausen anhört! Einer, der bei seinen Auftritten immer noch einen Laborkittel trug – wie ein Soundforscher eben. Und er forschte dann später auch wirklich viel über die Wirkung von elektronischen Klängen, zum Beispiel bei Menschen mit Schlafstörungen - oder auch auf Delphine, die angefangen haben sollen, in perfekten Kreisen zu schwimmen, wenn er die richtigen Frequenzen gespielt hat. Davon mal abgesehen: er war sehr viel in der Welt unterwegs, hatte wirklich viele Menschen in seinem Leben kennengelernt, wie er in seiner Biografie verriet: Jacques Brel, Salvador Dali, Alfred Hitchcock, Edith Piaf, Walt Disney – und alle waren sich einig: ein wertvoller Mensch. Ich schließe mich an.