Meine Lieblingsplatten, Teil 5: Superimpose

Flower
Das englische Wörtchen „superimpose“ kann alles Mögliche bedeuten. Ich glaube ja, dass Paul Kalkbrenner, als er sein Debütalbum „Superimpose“ genau so nannte, Gefallen am Blenden (im Sinne von „etwas vortäuschen, was nicht da ist“) oder am Übereinanderlegen fand. Nicht, dass er ein Blender ist, aber ich habe ihn irgendwann in den Nuller Jahren mal kennengelernt und denke, dass er einfach Freude an so einem Wort hätte. Übereinanderlegen aber passt natürlich auch, wenn man daran denkt, wie sich im Techno die einzelnen Sounds überlagern. Aber eigentlich will ich hier gar nicht über einen Albumtitel schreiben. Sondern über das Album selbst und warum es mir so gut gefällt. Mache ich ja auch.
Also, was finde ich so gut an diesem 2001 veröffentlichten Album? Aus heutiger Sicht: Dass es sich immer noch „gut“ anhört, nicht mehr taufrisch, aber auch gar nicht abgestanden. Sondern immer noch gut abgemischt, mit guten Sounds, guter Atmosphäre, guten „Brettern“ mit leicht neotranciger Note. Und allen, die das Wort „Trance“ zu Recht als abschreckend empfinden, kann ich nur sagen: Neotrance ist für mich das Gegenteil von Trance. Aber egal.
Nicht egal ist, was mich persönlich mit „Superimpose“ verbindet: Ich habe jahrelang die Sendung „Nightflight“ beim RBB-Jugendsender Fritz moderiert, fünf lange Stunden immer in der Nacht von Freitag zu Samstag. Elektronische Tanzmusik - und von Anfang an war ich auf der Suche nach einem kurzen Track, der erstens dafür sorgen sollte, dass man mich wiedererkennt. Und der zweitens eine gewisse Grundstimmung widerspiegeln sollte. Irgendwann versuchte ich es mal mit „Krank“, dem Intro von „Superimpose“, einem von Paul Kalkbrenner mit Synthie-Flächen unterlegten, von einer Frau eingesprochenen Gedicht von Erich Fried. Superidee: Anderthalb Minuten lang, melancholisch und schlau und elektronisch. Jahrelang erklang in Berlin und Brandenburg (und wo man den Nightflight noch so alles übers Internet hörte) Woche für Woche „Krank“. Und immer wieder wurde ich gefragt, was denn das sei (darf man allerdings nicht verschweigen: es kamen auch ab und zu Mails, in denen es hieß, die Sendung sei zwar ganz gut. Aber was soll denn das da am Anfang?
Paul Kalkbrenner jedenfalls hat das irgendwie auch mitbekommen, keine Ahnung, ob er es selbst gehört hat oder ob ihm nur davon erzählt wurde, aber ich habe mich mal an einem Loveparade-Wochenende im Casino-Garten (Draußen-Veranstaltung vom Casino, einem Club, den es nicht mehr gibt, da, wo er stand, steht jetzt die grausame „O2 World“) kurz drüber unterhalten. Kamen aber nicht mehr dazu, dass er mir erzählte, wie er zu dem Stück steht und wie er drauf gekommen ist.
Von seinem kleinen Bruder Fritz Kalkbrenner war da übrigens noch nichts zu hören, eine Freundin hatte mir nur mal erzählt, dass sie mit ihm mal was hatte und dass er sehr, sehr schlau sein soll. Aber das ist eine andere Geschichte.
Hier noch kurz, was mir neben „Krank“ an Superimpose gefällt: Die gerade, schnörkellose Art, mit der Paul Kalkbrenner seine Technogeschichten erzählt. Aber gleichzeitig schwingt da auch etwas sehr Warmes, Weiches, Menschliches mit. Techno mit Soul, aber anders gedacht und gemacht als Techno-Soul aus Detroit. Ist einfach schön, Tracks wie Gia 200 oder Feature Me oder Seaquest oder Far Away zu hören, auch heute noch im Jahr 2012. Und damit soll’s genug sein.
Interesse geweckt? Was ich sonst noch so zu „Superimpose“ und Paul Kalkbrenner zu sagen habe, kann man im Radio hören: www.byte.fm am Samstagabend von 20-22 Uhr. In Hamburg zu der Zeit auch auf UKW. ByteFM-Sendungen können übrigens auch noch mal angehört werden - dank unseres Archivs.