Hexen, Zombies, Sirup und Salem

Bei uns in Deutschland ist es, soweit ich weiß, (noch?) nicht sonderlich üblich, Hustensaft als high machende Droge zu benutzen. In den USA, vor allem in den Südstaaten und da vor allem in der Hip-Hop-Szene, ist man da, je nach Sichtweise, ein Stück weiter oder auch ein Stück zurück: Purple Drank, Sizzurp, Syrup, Purple Jelly, Texas Tea sind nur ein paar der Spitznamen für das Mix-Gesöff aus Hustensaft, Limonade und Bonbons, das angeblich schon in den 60ern zusammengemixt wurde.
Warum ich das hier erzähle? Das hat was mit Musik zu tun. Nicht nur mit Hip Hop, der eine Unterart entwickelt hat, die stark mit der Hustensaft-Syrup-Kultur verbunden ist, wo wie sie der aus Houston stammende, 2000 an einem Medikamentencocktail gestorbene DJ Screw populär gemacht hat. Sondern, über ein paar Umwege auch mit dem Trio Salem, das gerade sein Debütalbum veröffentlicht.

Ich weiß nicht, ob Salem mit Syrup herumexperimentieren, aber mir gefällt extrem, wie dunkel, verstörend und schön John Holland, Heather Marlatt und Jack Donoghue ihre Beats verlangsamen, ihre Synthesizer, ihre Stimmen. Zähflüssiger, klebriger ... ja, was eigentlich? Es gibt ein paar Schubladen-Begriffe: Drag. Witch House. Zombie Rave. So blöd das klingt, so sehr passt es dann auch wieder – die Musik hat etwas untotes, horrormäßiges, das verzweifelten Seelen viel Spaß bereiten könnte. Den nicht so verzweifelten Seelen (mir zum Beispiel) allerdings auch.

„Yes, I Smoke Crack“ hieß eine der EPs von Salem – so viel Freude am Untergang war lange nicht und irgendwie hofft man, dass es diesen drei Musikern (die Anfang 20 sind), mit solchen Sprüchen nicht allzu ernst ist. Davon mal abgesehen: Großartig, einer neuen Musikrichtung beim Entstehen zuhören und zusehen zu können. Wobei das mit dem „neu“ auch so eine Sache ist: Fever Ray und The XX, Crystal Castles und Nosaj Thing, Mokke und Flying Lotus beackern emotional und soundmäßig ähnliche, verwandte Gefilde. It’s fantastic! It’s syrupy! It’s weird!