Gutes Blatt: Sven Tasnadis Album “All In"

Flower
Das Poker-Spiel kennt viele aufregende Momente, einer der aufregendsten steht beim „All In“ an. Also dann, wenn einer der Spieler die anderen schocken will und auf einen Schlag seine gesamten Chips setzt. Alles oder nichts! Sven Tasnadi, der sich seit Jahren auf der Suche nach den besten atmosphärischen Sounds befindet, ist an diesem Punkt angelangt, sein neues Album heißt „All In“. Alles auf eine Karte? „So dramatisch würde ich das nicht sagen“, erzählt der 36-Jährige im Interview, „aber natürlich hat dieser Titel auch etwas mit Risiko zu tun.“
Der entscheidende, der riskante Moment im Leben von Sven Tasnadi liegt allerdings schon ein paar Jahre zurück. Die DJ-Karriere, eigentlich mal als Hobby geplant, kam so gut in Fahrt, dass er 2011 den Sprung wagte und seinen Job als Tischler kündigte, um nur noch von der Musik zu leben. Ein „All In“-Moment, über den der so gar nicht abgehobene Leipziger länger nachgedacht hatte: „Es wäre sicherer, in einer Firma zu arbeiten und nichts zu riskieren, aber das würde mich nicht glücklich machen. Das hat gar nicht so viel mit Geld zu tun, sondern mit dem Gefühl.“
„All In“ bedeutet für Sven Tasnadi aber auch noch etwas anderes: „Ich wollte ein Dancefloor-Album machen, das für mich als DJ vielseitig einsetzbar ist. Stücke, die sich fürs Warm-Up eignen, Stücke, die ich zur Hauptzeit spielen kann, Stücke, die in die After-Hour passen.“ Ein Album also für jeden Zeitpunkt und jede Situation. Die Namen seiner Tracks machen das auch noch mal deutlich: „Silent Floors“ pulsiert tief vor sich hin, in „Sleeping Dogs“ warten schlafende Hunde darauf, geweckt zu werden, „Keep Rolling“ packt deutlich mehr Energie in die Beats. Und bei „This Girl“ lässt Tasnadi die Bassline hin und her hüpfen und erzählt mit verfremdeter Stimme auf Englisch, wie er seine Freundin kennengelernt hat: „I saw this beautiful breathtaking girl on the dancefloor.“
12 Tracks insgesamt, in denen der heftig tätowierte Musiker seinen Sound auf den Punkt bringt: tief, aber nicht gewollt, melodisch, aber ohne jeden Kitsch, direkt, aber nicht monoton. Sorgfältig arrangierte Tracks zwischen House und Techno, bei denen er mit Tempo und Rhythmus, Melodie und Klang spielt, ohne seine große Linie zu verlassen. Fans von Tasnadi kennen das schon von seinen diversen EPs, die in den vergangenen Jahren unter anderem bei Poker Flat, Katermukke und Liebe*Detail erschienen sind. Auf Albumlänge aber gab es diese Sounds von Tasnadi noch nicht, denn auf seinem LP-Debüt „Slow“, hatte er sich vor zwei Jahren noch ganz den ruhigen Töne gewidmet. Dubbige, langsame Tracks bestimmten die Platte, für die Tanzfläche war nicht viel dabei, dafür jede Menge Sounds, die sich gut in der Chill-Out-Area machten.
Wo kommt sie her, diese Liebe für die tiefen und zum Teil minimalen Sounds? Die ersten Tracks aus dem Dancebereich, die Sven Tasnadi interessierten, waren Kommerz-Techno-Sachen wie „Das Boot“ von U96. Damals, das muss man zu seiner Entschuldigung sagen, war er 12. Zwei, drei Jahre später ging er zu seinen ersten Technoveranstaltungen im Leipziger Jugendzentrum Conne Island. Dann kam die Opera, wo damals noch der Tresor-DJ Mad Max regelmäßig auflegte. Tasnadi war geflasht von Lautstärke und Stimmung und wollte schon bald selbst hinter den Decks stehen. Gesagt, getan. Auch wenn man angesichts seiner manchmal minimalen Tracks anderes vermuten könnte: Chicago als Zentrum der House Music hatte es ihm dabei eher angetan als Detroit und der Techno. Der deutlichste Detroit-Moment auf „All In“ ist auch deshalb nicht ganz ernst gemeint: Im Break des Tracks „The Holy Grail“ beschwört Tasnadi soundmäßig die Techno-Vergangenheit der verfallenen Autometropole. „Detroit ist ja für viele der Heilige Gral, von da kommt nichts Schlechtes, alles ist super. Diese Detroit-Besessenheit nehme ich mit einem Augenzwinkern auf die Schippe.“
Die Fotos für das Cover von „All In“ sind am Leipziger Flughafen entstanden. Auch das ist kein Zufall, Leipzig ist extrem wichtig für den DJ. Hier ist er geboren und aufgewachsen, er ist Teil der so lebendigen Clubszene: „Auch das meine ich mit „All In“: hier gibt es alles. Leipzig ist nicht zu groß, nicht zu klein, hier gibt es insgesamt eine sehr lebendige Kultur- und Musikszene und ich glaube, dass ist die einzige Stadt im Osten, wo wirklich was vorangeht! Das macht mich nicht stolz, weil ich dafür ja nichts gemacht habe, aber es macht mich froh.“ „All In“ ist beim von Matthias Tanzmann gegründeten Leipziger Label Moon Harbour erschienen. Hier gehört Sven Tasnadi schon lange zum festen Künstlerstamm. In der Distillery, Leipzigs ältestem Techno-Club, legt er immer mal wieder auf, auch wenn er schon lange in ganz Europa gebucht wird. Einen Lieblingsclub, so erzählt er diplomatisch, hat er allerdings nicht. Aber wenn er es sich aussuchen kann, dann lieber eine Nummer kleiner: „In einem überschaubaren Club mit 500, 600 Gästen und einem guten Soundsystem kann man einfach anders spielen, man ist näher dran.
Und wie geht es jetzt weiter? Hoffentlich wie bisher, sagt Sven Tasnadi, nämlich jedes Jahr ein bisschen besser. Das neue Album, das Auflegen, weitere EPs, Remix-Aufträge – es läuft: „Im Gegensatz zu anderen, die vielleicht innerhalb von ein, zwei Jahren wie eine Rakete nach oben schießen, entwickelt sich bei mir alles langsamer, aber kontinuierlich. Vielleicht auch ganz gut so!“