Super-Richie!

Fotografiert von Merlijn Hoek
Achtung, hier kommt eine Geschichte mit einer wirklich schönen (unter anderem erotisch angehauchten) Pointe. Aber erst einmal müssen wir uns leider durch die Fakten wühlen. Obwohl ... eigentlich ist das eine schöne, runde Geschichte, in der sich die Dinge nach und nach ergeben. Also der Reihe nach:
Ich war gestern bei meinem Japaner um die Ecke.
Und während ich auf meinen Algensalat („Einmal die 113, bitte.“) wartete, blätterte ich in meinem Lieblingsstadtmagazin, das deshalb mein Lieblingsstadtmagazin ist, weil sich dort der schlaue Fil mit seinen Didi&Stulle-Comics austoben darf. Nachdem ich also gelesen hatte, dass Didi und Stulle mit Hilfe von Karl Lagerfeld Angela Merkel zu einem Lagerfeld-Klon umgestylt haben (wie gesagt, Fil darf sich da austoben), stieß ich auf eine Geschichte, mit der mich Autor Daniel Boese ganz schön ratlos zurückließ: Richie Hawtin („DJ-Legende“) rettet die Welt. Ganz kurz: Seine CD-Cover sind aus Recyclingpapier. Sein Büro und sein Studio werden mit Ökostrom betrieben. Eine Tour durch die USA hat er in einem mit Biodiesel betriebenen Bus zurückgelegt. Und dann kompensiert er auch noch seine Flüge, was bedeutet, dass er für jeden geflogenen Kilometer Geld zahlt, das Klimaschutzprojekten zu Gute kommt (wenn ich das auf der Website richtig nachgerechnet habe, dann muss man da für einen Flug von Berlin nach New York 49,- Euro an Wiedergutmachung zahlen - ich hatte schon befürchtet, es wäre eine Pipi-Summe von 2 Euro oder so).

Trotzdem: Hat schon was von Alibi-Veranstaltung und irgendwie stört mich an dem ganzen Artikel, dass an keiner Stelle mal gefragt wird, ob es denn grundsätzlich ökologisch-vernünftig ist, ständig von hier nach da zu fliegen (und nicht, dass wir uns da falsch verstehen: ich fliege auch gerne und bin bestimmt nicht ausgeprägt ökologisch unterwegs). Das ganze liest sich wie eine einzige Werbeveranstaltung für den Auflege-Meister Hawtin. Es kommt nämlich noch schöner: Hawtin lebe die Kulturtechniken vor, die auch die Wende zu erneuerbaren Energien möglich machten. Häh? Und noch besser: Hawtin schreibe den Soundtrack für die CO2-freie Zukunft! Vielleicht geht‘s eine Nummer kleiner, so dachte ich beim Lesen. Denn wenn bei einem der RH-DJ-Sets die Feiernden, die sich per Selbstmedikation euphorisiert oder ruhig gestellt haben, Zombie-like in der Gegend rumwachteln, dann geht es natürlich weder um irgendwelche Ökobilanzen oder Windturbinen, da geht es um die nächste Abfahrt. Und Abfahrt, das hat doch irgendwas mit Treibstoff zu tun, oder?

Und jetzt die Pointe: Ich hatte mal eine
Freundin, die in unserer kurzen gemeinsamen Zeit auf noch nicht genau geklärte Art und Weise dem Richie näher gekommen ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass da von Biodiesel und Recyclingpapier nicht großartig die Rede war. Und von Kompensation und „fairer Atmosphäre“ habe ich auch nichts gespürt. Aber vielleicht bin ich für so etwas auch zu unsensibel ;-)