SXSW-Diary Tag 1: Taufe

Flower
Das South-by-Southwest- oder auch SXSW-Festival gibt es seit einem Vierteljahrhundert. Für mich aber erst seit zwei Jahren. Ich bin also kein absolutes Greenhorn mehr, aber doch noch ziemlich neu. Immerhin weiß ich mittlerweile so halbwegs, wie es hier in Texas läuft. Und ich weiß, was mich interessiert: Geschichten, Geschichten, Geschichten - nicht immer, aber meistens Musikgeschichten. Die hoffentlich besten davon werden sich in den nächsten Tagen hier beim Technoarm finden. Los geht es mit der Frau, die sich in einen deutschen Herzspezialisten verguckte und die Flucht ergriff, als sie seinen Vornamen erfuhr.
Die Frau saß im Bus #20, der von der 30. Straße Richtung Downtown Austin fährt. Denn Downtown Austin spielt sich auch dieses Jahr wieder alles ab, was die SXSW ausmacht: 2000 Bands und Musiker, die an diesen sechs Tagen in ein paar hundert Bars, Clubs, Konzerthallen und auf Freiluftbühnen auftreten. An der 30. Straße befindet sich mein Motel, direkt am Highway, der mit seinem Rund-um-die-Uhr-Verkehr für ein Rauschen wie am Meer sorgt. Nur eben viel gleichmäßiger. Gleich beim Motel sind auch ein paar Krankenhäuser und „medizinische Einrichtungen“. Meine Vermutung: Dort werden auch Menschen mit psychischen Problemen behandelt. Und die Frau (Mitte 50, Rouge wie ein Clown, unter den Augen fingerdicke schwarze Kajal-Striche) fing auf einmal an zu sprechen und hörte nicht mehr auf, merkwürdige Sachen über frühere Jobs und frühere Stationen ihres Lebens zu erzählen. Als sie merkte, dass sie es mit Deutschen zu hatte, fiel ihr die Geschichte mit dem deutschen Herzspezialisten ein. Er hieß ... Adolf. „Just like Hitler! I couldn’t stand that!“ Dann musste sie leider aussteigen. Ich hätte ihr gerne mehr über MEINE Vornamen erzählt.
Was das ganze mit Musik zu tun hat? Nichts. Außer, dass so der Tag begann, an dem ich im La Zona Rosa landete und Neon Hitch, eine Art Lady Gaga für Arme aus London live erlebte. Billige Dance Music, billige Kostüme, zwei schwarze „Tänzer“, die halbnackt, bemalt und mit Lendenschurz auf Trommeln den Beat mitschlugen. Bislang kannte ich sie nicht, meinetwegen hätte das auch so bleiben können.



Direkt nach ihr kam der weiße Rapper Outasight, von dem sich das Label Warner einiges verspricht. Und Pepsi mag ihn offenbar auch, sein Song „Tonight is the Night“ untermalt jedenfalls einen ihrer Cola-Werbespots. Outasight, nicht ganz so sportlich wie man es sonst aus dem Hip Hop kennt, mit Sakko, Hemd und ordentlichem Haarschnitt an einen Business-Typen erinnernd, ist in etwa so innovativ wie ein Hörgeräteakustiker (nichts gegen Hörgeräte oder Akustiker, aber mir ist gerade nichts besseres eingefallen, um zu beschreiben, wie berechenbar dieses Mischung aus Dancebeats, geklauten Rock-Riffs und David-Guetta-Hooks wirkt). Immerhin, rappen kann er.



Echter Höhepunkt des Abends: Theophilus London, der aus Trinidad stammende New Yorker Rapper. Cooler Typ, der erstens weitgehend auf Billo-Beats verzichtet, einen echt coolen Bass- und einen ebenso coolen Gitarrespieler an seiner Seite hat. Theo London geistert ja schon eine Weile auf der Hype-Bühne rum, könnte gut sein, dass er auch noch mal so richtig groß wird. Für einen der größten hält er sich bereits.



Und wer jetzt noch wissen will, was hier in Austin (und meiner Ansicht nach in vielen anderen amerikanischen Städten zwischen Miami und L.A.) in den Clubs gespielt wird: David Guetta meets Skrillex meets Deadmau5. 2012 - the year dance music killed rock. Aber dazu morgen mehr.