Masken, Masken, Masken ...

Masken: grausam, mysteriös, erotisch – und sehr, sehr wirkungsvoll, wenn man anonym bleiben, aber trotzdem auf sich aufmerksam machen möchte. Kraftwerk schickten einst Roboter auf die Bühne, die den realen Musikern allerdings aus dem Gesicht geschnitten waren. Redshape, über dessen wahre Identität die Technowelt seit Jahren rätselt, versteckt sich bei öffentlichen Auftritten hinter einer roten Gesichtsmaske aus Plastik. Redshape sagt: „Also verstecken vielleicht nicht im ängstlichen Sinne, sondern es hat was mit Alter Ego zu tun.“
Und mit alter Technoschule: „No more fucking Rock’n’Roll“ postulierte der Plattenaufleger Westbam und meinte damit, dass der jahrzehntelang gepflegte Starkult ein Ende haben müsse – um sich kurz danach selbst ordentlich feiern zu lassen. Doch die Idee war ja richtig, sie stammte ursprünglich aus Detroit, der Geburtsstadt von Techno – das Musikerkollektiv „Underground Resistance“ zeigte sich der Öffentlichkeit stets nur ordentlich vermummt, man legte sich jede Menge Pseudonyme zu. Die Musik sollte nicht mehr hinter dem Künstler verschwinden. Redshape: „Das stand auf jeden Fall dahinter, es hat aber leider, muss ich sagen, überhaupt nicht funktioniert. Inzwischen ist die Persona Redshape fast schon wieder interessanter als die Musik.“
In seiner Szene ist Redshape ein Star. Auch nach Jahren, die er jetzt mit Maske und Pseudonym unterwegs ist, weiß dort kaum jemand, wie er wirklich aussieht und wo er lebt. Jetzt sitzt er in einem Cafe in Berlin-Mitte, unverhüllt, jünger als erwartet, Redshape hat keine Narben, keine Akne, er ist nicht häßlich. Die Maske erlaubt ihm Dinge, die er sich ohne sie nicht unbedingt trauen würde. Sie nimmt Versagensängste und gibt Selbstvertrauen – und erzeugt eine Aura von Unberührbarkeit, selbst wenn sie nach dem Live-Auftritt abgenommen wird: „Da ist sehr viel Respekt, sehr viel Distanz und wenn ich jetzt weit weg von zu Hause bin und alle Leute empfinden diesen Respekt, dann bin ich eben auch die ganze Nacht allein, das ist jetzt nicht gerade wunderschön, aber da kann ich auch nicht viel machen. Also ich renne jetzt auch nicht mit einem Schild rum auf dem steht: „Hey, ich bin Redshape, ihr müsst jetzt mit mir reden.“



Masken sind nicht nur künstlerische Hilfsmittel, sie können sich auch wirtschaftlich auswirken – wer sich vermummt, macht sich interessant, ragt aus der Masse der Konkurrenten heraus und wird: populär! Auf sich aufmerksam machen, aber gleichzeitig weniger angreifbar werden, heißt die Losung – das Konzept eignet sich für politische Demonstrationen genauso wie zum Demonstrieren der eigenen musikalischen Fähigkeiten. Je geheimnisvoller die Maske wirkt, desto besser. Die Veteranen der Maskenmusiker geben sich allerdings neutral-freundlich: Das französische Duo Daft Punk verzichtet so gut wie nie auf die Roboterhelme. Bei den Dubstep-Künstlern, die es ohnehin sehr mit dem Verstecken haben, suchen aktuell gleich zwei den Schutz der Maske: SBTRKT setzt auf eher afrikanische. Zomby bis vor Kurzem auf die bei den Anonymous-Aktivisten und Occupy-Protestieren so beliebte Guy-Fawkes-Anonymus-Maske
Die Rhythm Monks aus Berlin, eine Mischung aus Trommelshow und Schamanentanz verbergen sich hinter Masken, die sich dank jeder Menge LEDs verwandeln lassen: Gut gelaunte oder grimmig aussehende Strichgesichter, glühende Augen, abstrakte Lichtspielereien. Die Rhythm Monks lassen sich auch nicht im herkömmlichen Sinn interviewen. Ihre Antworten auf per E-Mail gestellte Fragen schicken sie als verfremdete Audiodatei: „Die Masken sind eben kraftvolle magische Gegenstände und ein wesentlicher Bestandteil von Ritualen, deshalb sind sie uns bei der Show auch so wichtig. Ihre rituelle Anwendung hat die Kraft, ihren Träger tatsächlich in dasjenige Wesen zu verwandeln, das die Maske darstellt.“



Künstler und ihre Kostüme – ein uraltes Ritual. Gut möglich, dass Verkleidungen den einen oder anderen Musiker davor retten können, in Größenwahn zu verfallen – ist die Maske abgelegt, darf man als ganz normaler Mensch weiterleben. Auf der Bühne selbst aber funktionieren Masken nach ihren eigenen Gesetzen: „Das ist ein zweischneidiges Schwert: In die Richtung, was man ausdrücken möchte und dass man voll in dieser Rolle aufgehen kann, zum Monk zu werden, geben einem die Masken und das Kostüm natürlich die größtmögliche Freiheit. Jetzt mal auf das ganz praktische bezogen: Es ist unglaublich heiß.“