Neues Mute-Buch: toller Geburtstag

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Mute. Ein englisches Wort. Es bedeutet: stumm. Aber stumm ist das englische Mute-Label nie gewesen. Im Gegenteil. In den fast 40 Jahren, die Mute existiert, sind dort jede Menge große Alben veröffentlicht worden: Depeche Mode, Nick Cave, Moby, die Einstürzenden Neubauten und viele mehr. Jetzt ist das Buch zur ungewöhnlichen Erfolgsstory erschienen: „Mute. Die Geschichte eines Labels: 1978 bis morgen“. Was davon zu halten ist, was Labelgründer Daniel Miller dazu sagt? Eine ganze Menge. Und dann doch wieder nicht. Read and rave on nach dem Klick ...

The KLF have entered the building (again) - nach 23 Jahren

The KLF
Die 23 ist keine ganz normale Zahl. Sie hat einige auffällige mathematische Eigenschaften. Vor allem aber gilt sie aus verschiedenen Gründen als „mystische Zahl der Popkultur“, was vor allem mit dem berühmten Kiffer-Buch „Illuminatus“ von Robert Shea und Robert Anton Wilson zu tun hat.

Auch die unterhaltsamsten und gleichzeitig anarchischsten Popprovokateure der 90er haben sich die „23“ nicht entgehen lassen: Am 23. August 1994 verbrannten The KLF nach einigen furiosen Jahren im Musikbusiness eine Million britische Pfund - und jetzt, 23 Jahre später, ist das britische Duo wieder da. Einige der Hits, mit denen The KLF Anfang der 90er für Furore sorgten: What Time Is Love, 3 AM Eternal, Justified And Ancient. Und jetzt haben sie sich also wieder zurückgemeldet mit einer dreitägigen Mitmach-Aktion in Liverpool – und mit einem Buch namens „2023 – A Trilogy“. Einem Act wie The KLF, der für Anarchie und Chaos gesorgt hat, nähert man sich am besten so strukturiert wie möglich. Also: Wer sind The KLF?
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500.000 Jahre Electro Royale

500 x Electro Royale
Wie feiert man denn so etwas gebührend: 500 Ausgaben "Electro Royale"? 500 Samstage in den vergangenen knapp zehn Jahren, in denen ich im Radio bzw. im Web elektronische Tanzmusik spiele und dazu mehr oder weniger (oft weniger) Sinnvolles sage? Vielleicht ganz kurz, nämlich so: Beste Sendung überhaupt. Also für mich. Ich kann da nämlich wirklich tun und lassen, was ich will - und jeder kann das hören oder auch nicht. So stelle ich mir Freiheit vor. Und aus Freiheit ergibt sich alles andere. Morgen, am 26. August 2017, steht sie also an, die Jubiläumsausgabe. Und wer mehr wissen will zu mir und zur Sendung, der wird beim Fragebogen fündig, den ich extra zu diesem Anlass beantwortet habe. Auf die nächsten 500!

Jeff Mills in Metropolis

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Gerade zum ersten Mal den "Film-Klassiker" (so sagt man ja) Metropolis gesehen. Regisseur Fritz Lang hat die Geschichte von den "Oberen" und den "Unteren", von der guten und der bösen Maria, vom Vater und vom Sohn, vom irgendwie durchgeknallten Wissenschaftler und einem veritablen Aufstand 1925 und 1926 gedreht - und mit der offenbar sehr teuren Produktion damals einen veritablen Flop produziert. Kaum jemand wollte die zweieinhalb Stunden lange Urfassung sehen, Kritiker waren auch nicht sonderlich begeistert, auch die daraufhin gekürzte Version fand wenig Fans. Aber das war damals, inzwischen gilt der Film als Meisterwerk des Expressionismus. Jetzt wurde er gerade in Berlin als restaurierte Fassung gezeigt. Wie das mit "Meisterwerken", die 90 Jahre alt sind und als Stummfilm daher kommen, so ist: der Film wirkt alt und aktuell und futuristisch zugleich. Ich hätte die knapp zweieinhalb Stunden aber nicht durchgehalten, wenn nicht Jeff Mills live für die Musik gesorgt hätte! Jeff Mills ist einfach der Beste, wenn es um solche Projekte geht. Ein einzigartiger Score. Seltsam nur, dass im Publikum offenbar auch jede Menge Leute saßen, die ihn gar nicht kennen und die mit seiner Musik nichts verbinden - um mich herum jedenfalls einige fragende Gesichter, als die Moderatorin des Abends "DJ Mills" ankündigte (Mann, hoffentlich hat Jeff Mills das nicht gehört … DJ Mills, kann man sich gar nicht ausdenken, aber so ist das eben, wenn man Menschen, die keine Ahnung haben, mit Lobreden beauftragt). Im Netz findet sich übrigens ein ältere Fassung von Metropolis mit Soundtrack von Jeff Mills. Das ist ja auch als CD veröffentlicht worden. Aber die neue Fassung ist anders, länger - und mindestens genauso gut.

Vegard Vinge und Ida Müller: kein Interview

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Es ist vorbei: Vegard Vinge und Ida Müller, Musiker Trond Reinholdtsen und Dutzende von anderen haben die letzte Vorstellung im Nationaltheater Reinickendorf hinter sich gebracht. Es war klar, dass an diesem letzten Abend nicht das gleiche passieren kann wie an den neun Abenden (bzw. Nächten, die Vorstellungen dauern ja bis zu 12 Stunden) zuvor. Aber was genau? Noch nie erlebter Fäkal-Terror? Der Abriss des extra für einen Monat in einer alten Lagerhalle errichteten Theaters in Echtzeit, also während laufender Vorstellung? Vielleicht gar keine Vorstellung, wie es das vor Jahren ja auch schon gab? Oder die komplette Umarmung des Publikums? Nein, es kam dann doch, wie erwartet, ganz unerwartet. Read and rave on nach dem Klick ...

Lotic und seine Sounds aus einer anderen Welt

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J’Kerian Morgan alias Lotic ist „not your local queer artist“. Aber trotzdem einer der spannendsten DJs, die derzeit von Berlin aus die Clubwelt bereichern. Gerade hat er beim Yo!Sissy-Festival eines seiner berüchtigten DJ-Sets abgeliefert. Vorher aber saß er in meiner Küche und hat über alles mögliche gesprochen, über Musik, über Mietprobleme in Berlin, über die queere Szene - und darüber, warum er nur noch aus seiner Heimat, den USA, wegwollte. Interessanter Mensch, interessanter Musiker. Read and rave on nach dem Klick ...

Düster und immer noch gut: Vegard Vinge und Ida Müller am Nationaltheater Reinickendorf

Nationaltheater Reinickendorf Plakat
Fäkalien - eins der letzten Tabus in unserer Gesellschaft. Aber Vegard Vinge, der Ausnahme-Theatermacher aus Norwegen, hat keine Lust, da mitzumachen. Und so stehen seine körpereigenen Abfallprodukte nicht im Mittelpunkt, aber auch nicht völlig am Rande seiner Theatervorstellungen. Ich war jetzt noch einmal in seinem "Nationaltheater Reinickendorf" und es war ziemlich spektakulär, wie ein ganzer Saal reißaus nahm vor einer Hand voll Kot. Aber eben nur so gerade aus Wurfreichweite. Um sich dann wieder hinzusetzen und auf eine Fortsetzung der 12 Stunden langen Performance zu warten, in der Ibsen und Shakespeare, Baumeister Solness und Hamlet auf ganz eigene Art verarbeitet wurden. Hier und hier und hier sind ja die vorigen Besuche im Nationaltheater Reinickendorf bzw. im Prater der Volksbühne dokumentiert, dass ich Vinge/Müller-Fan bin, muss ich wohl auch nicht mehr schreiben. Aber was ich noch loswerden will: nach wie vor gut, diese Mischung aus allem, die nur schwer zu deuten ist. Video und Pausenperformance, ein Theaterhaus, das in seiner Art einzigartig ist, Schauspieler, Kostüme, Bühnenbild: alles passt zusammen. Schön, wie in einer Art Pause Dutzende von Malen Songs von Joy Division und Lana Del Rey liefen - und Vegard Vinge in seiner, nun ja, unnachahmlichen Art mitsang.

Neulich wurde ich mal gefragt, warum ich hier beim Technoarm so viel über Theater schreiben würde. Aber es ist ja nicht Theater im Allgemeinen, das mich interessiert, sondern diese Art von Theater. Dazu kommt: Vegard Vinge und sein "Soundmeister" Trond Reinholdtsen haben in ihre Aufführungen auf ziemlich gute Weise vieles integriert, was die (elektronische) Musik auszeichnet: Sampling, elektronische Verfremdung der Stimmen von Autotune bis Vocodereffekten, Stress durch Lautstärke und Geschwindigkeit, Beats und Melodien wie aus dem Ableton-1mal1. Und Trockeneisnebel plus Stroboskoplicht erinnert auch eher an Kellertechno als an herkömmliches Schauspielhaus. Eine Frage bleibt natürlich: Was, ja was nur soll man tun, wenn dieses Theater Ende Juli für immer seine Türen schließt? Ich weiß es nicht.

Vegard Vinge im Nationaltheater Reinickendorf, Tag 433 from Martin Boettcher on Vimeo.

Mysteriöser Electro vom Meeresgrund

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Drexciya, das waren mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit James Stinson und Gerald Donald. Als Stinson 2002 starb, war es vorbei mit der Wut und der Schönheit, die diese elektronischen Sounds verströmten. Aber bis heute entdecken immer wieder neue Fans und andere Musiker die Tracks von Drexciya - und sind von der Geschichte, die sich Stinson und Donald als theoretischen Hintergrund für ihre Klänge ausdachten, begeistert. Ich habe hier und hier schon mehrmals über Drexciya geschrieben, auch, weil mich die Sounds seit Jahren begleiten und, so muss man das wohl sagen, erfreuen. Aber so gut wie Mick Rubin war das nie. Mick Rubin beschäftigt sich auch schon lange mit Drexciya, und so ziemlich alles, was in dem Zusammenhang wichtig ist, hat er jetzt noch einmal niedergeschrieben - für die Kaugummi-Brausler von Red Bull (genauer gesagt: für die Seite der Red Bull Music Academy). Drexciya, so der von Stinson und Donald ausgedachte Mythos, ist eine Unterwasserstadt auf dem Grunde des Atlantiks. Dort leben die Drexciyaner, die im Wasser atmen können und die von schwangeren Sklavinnen, die bei ihrer Überfahrt von Afrika nach Amerika ins Wasser geworfen wurden, abstammen. Der Schwarze als Alien, aber nicht aus den Tiefen des Alls, sondern aus den Tiefen des Meeres.

Es gibt eine sehr umfangreiche Webseite, die sich so ziemlich jedem Detail von Drexciya und den Nebenprojekten der beteiligten Musiker widmet, es gibt einen Artikel, der die begleitende Kunst (Darstellung von Drexciyanern und ihren U-Booten) auflistet, es gibt sogar einen Stern, der nach Drexciya benannt wurde. Aber so umfassend und so stukturiert und informiert wie in Rubins Artikel habe ich das alles noch nie gelesen. Eine Reise zum Grund des Meeres und eine großartige Gelegenheit, noch einmal diese Musik zu entdecken.

Vegard Vinge und Ida Müller sind gut gelaunt am Nationaltheater Reinickendorf

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Neulich erzählte ich meiner Mutter von Vegard Vinge und seinen Ibsen-Inszenierungen. Sie sagte zu mir: "Ich wusste gar nicht, dass Du Dich für Theater interessierst!" Ich so: "Tu ich auch nicht, ich interessiere mich nur für Vegard Vinge und Ida Müller und ihr Extremtheater. Weshalb die beiden hier ständig beim Technoarm auftauchen. Na ja, was heißt ständig, sie haben ja mehrere Jahre nichts von sich hören lassen, da war es hier auch sehr ruhig um die beiden. Aber davor und jetzt auch wieder ist das wohl so. Es sind ja auch nur noch ein paar Vorstellungen bis Ende Juli, dann ist erst einmal wieder Schluss mit dem Vinge/Müller-Spektakel, was natürlich extrem schade ist. Hier nun ein kleiner Zwischenstand: vor einer Woche gab es die offizielle Premiere (offizielle Premiere? Was heißt das denn? Na das hier!), ich war auch wieder dabei, habe aber nur sieben Stunden durchgehalten. Immerhin konnte ich feststellen, dass viele, viele Kollegen ebenfalls dort waren, von der schreibenden und von der sendenden Presse. Im Radio habe ich dann auch gleich einigen Unsinn vernehmen müssen, nicht gut, wenn Kollegen die Berichterstattung übernehmen, die nicht so die Ahnung haben. Dafür sind von den Schreiberlingen wieder viele Auskenner dabei. Vor allem die Berliner Zeitung scheint die gute alte Tradition wieder aufzunehmen, möglichst jede Regung von Vinge/Müller einzufangen. Das gefällt mir. Ansonsten fand ich sehr lesbar die Artikel in der Welt, im Berliner Tagesspiegel, bei Nachtkritik und hier. Und natürlich meine eigenen (Scherz). Was ich seltsam finde: Nazis, Nazi-Ästhetik, die Nazi-Vergangenheit Deutschlands spielt im Werk von Vinge oft eine Rolle. Aber darüber hat noch niemand so richtig geschrieben. Ich allerdings auch nicht, aber im Video wird es deutlich.

vegard from Martin Boettcher on Vimeo.


Was noch? Ich bleibe auch nach der offiziellen Premiere dabei: Niemand kann Vinge/Müller das Wasser reichen. Frage mich aber außerdem die ganze Zeit, wer wohl der andere Schauspieler ist, der sehr frei spricht und agiert. Er scheint eine Art Vertrauter von Vegard Vinge zu sein und macht das sehr gut. Es ging, natürlich, mal wieder um alles. Gegessen wurde, ausgeschieden wurde, es gab Sex und Onanie, Gesang, Film … und die hinteren Bühnengemächer wurden geöffnet! Das verschollene U-Boot aus dem Prater, das ich nur von Videos kannte, war zu sehen. Eine Figur, die Vinge in einer sehr bekannten Pose (auf dem Rücken liegend, sich selbst in den Mund pinkelnd) zeigt, wurde präsentiert. Außerdem die große Panini-Bildsammlung, eine Art Geisterbahn, gemalte Bildchen von Nazigrößen. Ich weiß, das liest sich sehr kryptisch. Aber wer Fan ist, weiß, wovon ich schreibe. Wer noch kein Fan ist, kann sich hier beim Technoarm alle Vinge-Artikel durchlesen und die Videos ansehen, dann ist er/sie schlauer. Gute Nacht.

Laurel Halo wirbelt ordentlich DUST auf

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Vor kurzem machte die Meldung die Runde, dass weniger und weniger E-Gitarren verkauft werden. Das Prinzip „Rockstar“ hat, zumindest für den Moment, ausgedient. Das liegt daran, dass die musikalisch interessanten Entwicklungen ganz woanders stattfinden, zum Beispiel in der elektronischen Musik – und zwar in der elektronischen Musik, die sich vom rein Funktionalen des Dancefloors gelöst hat und die vielfältigen Möglichkeiten der Produktion auslotet. Gleichzeitig experimentell und zugänglich, so lautet die Formel für relevante elektronische Musik – und genau so hört sich die Musik der in Berlin lebenden US-Amerikanerin Laurel Halo an. Ich habe Laurel Halo in einem Kreuzberger Café getroffen und mit ihr über Musik im Algemeinen und ihr neues Album „Dust“ im Speziellen gesprochen. Aber der Reihe nach. Also: Alles, wirklich alles, uns eingeschlossen, besteht aus kosmischem Staub. Mit Staub fängt alles an, mit Staub hört es wieder auf. Klitzekleine Teilchen als Sinnbild für den großen Kreislauf des Lebens. Auch das meint die Produzentin Laurel Halo mit dem Titel ihres neuen Albums: „Dust“. „Wenn sich der Staub gelegt hat - Staub aufwirbeln - jemandem im Staub liegen lassen ... Staub ist ewig und für mich steht er für den Wechsel, für das Werden und Vergehen“, sagt sie im Interview.

Laurel Halo kommt aus den USA, sie hält ihr Alter für irrelevant, solange es um ihre Musik geht und sie lebt seit drei Jahren in Berlin. Es ist die schon oft erzählte Geschichte von den immer noch billigen Mieten und Lebenshaltungskosten – jedenfalls im Vergleich zu New York oder London – die sie nach Deutschland gebracht haben. Sie will sich auf ihre Kunst konzentrieren, nicht aufs Geldverdienen. Wie sollte das auch gehen mit einer Musik, die wie ein Experiment wirkt und nur wenig bis gar nichts mit Kommerz zu tun hat? Laurel Halo: „Ich weiß, dass ich nischenhafte, seltsame Musik mache, die nicht so einfach zugänglich ist. Ich suche auch nicht den massenhaften Erfolg, mir bedeutet es vor allem etwas, wenn meine Familie, wenn andere Produzenten oder Musiker, die ich schätze, positiv auf meine Songs reagieren. Das ist die spirituelle Nahrung, die mich antreibt!“ Read and rave on nach dem Klick ...

Vegard Vinge: Seltsame Mauscheleien mit dem Nationaltheater Reinickendorf

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Man muss ja nicht gleich von "Skandal" sprechen, aber eine Gemeinheit ist es schon, wie sie an diesem Wochenende mit Vegard Vinge umgegangen sind! Vegard Vinge, das ist der Theatermacher, der gemeinsam mit seiner Bühnenbildnerin Ida Müller mit seinen Ibsen-Inszenierungen, mit seinem Extremtheater für Aufsehen, Irritation, Begeisterung, Ablehnung und Schlagzeilen gesorgt hat. Vegard Vinge und Ida Müller sind radikale Theatermacher. Ihre mühevoll aus Pappe und Farbe gestalteten Bühnenbilder und die Masken ihrer Schauspieler verbreiten eine seltsam morbide, entfremdete Stimmung. Vinge/Müller-Stücke sind heftig, Gewalt spielt eine große Rolle, Kunstblut wird großzügig ausgeschüttet, wer auf lineare Handlung angewiesen ist, könnte verzweifeln. Und es kommt gar nicht mal so selten vor, dass ihre Inszenierungen acht oder zehn oder auch zwölf Stunden dauern. 2012 schafften es Vinge und Müller mit ihrer Inszenierung von Ibsens John Gabriel Borkmann zum Berliner Theatertreffen.

Vier Jahre lang hatte Vegard Vinge nichts von sich hören lassen, vier lange Jahre, in denen immer mal wieder jemand sehnsüchtig fragte, wann denn endlich Neues vom radikalen Norweger zu sehen sein würde. Nun, jetzt, am Samstag, dem 1. Juli 2017, war es so weit: Vinge/Müller eröffneten unter den Fittichen des Haus der Berliner Festspiele ihr "Nationaltheater Reinickendorf". "Extremtheater"! "Theatertreffen-Teilnehmer"! "Ausnahme-Schauspiel"! Bei solchen Schlagworten, könnte man meinen, würden die Feuilletons, die einschlägigen Theaterkritiker Schlange stehen, um über die erste Vorstellung zu berichten. Jetzt haben wir Montag, den 3. Juli, und was soll ich sagen? Es ist so gut wie kein Wort über das Nationaltheater und diese erste Vorstellung gefallen. Nur bei Nachtkritik haben sie sich dazu durchgerungen, die ganze Veranstaltung nicht komplett zu ignorieren wie die anderen - dort hat man sich an einem Kompromiss versucht. Ansonsten: nur Zurückhaltung. Aber warum? Dazu ein paar Überlegungen, die meiner Ansicht nach den Theaterjournalismus in keinem guten Licht stehen lassen. Read and rave on nach dem Klick ...

Vegard is back!

Es gibt Theatermacher - und es gibt Vegard Vinge. Bzw. Vegard Vinge und Ida Müller. Der Regisseur und die Bühnenbildnerin arbeiten sich seit Jahren am Werk von Henrik Ibsen ab, aber auf eine Art und Weise, die mit herkömmlichem Theater nicht viel zu tun hat: die unglaublich langen Aufführungen von Ibsen-Stücken wie "Die Wildente" oder "John Gabriel Borkmann" erzählen die eigentliche Handlung nur sehr schleppend und nicht unbedingt systematisch. Dafür sehr blutig, mit verstörendem Bühnenbild, Musik-Gewitter und grusligen Masken. Beschreiben lässt sich das nur unzulänglich, zwei hier verlinkte Videos (das eine von Vinges "Wildenten"-Inszenierung am Berliner Prater, das andere von seinem "12 Spartenhaus") geben aber einen schönen Eindruck:

Die Wildente - Vildanden from Martin Boettcher on Vimeo.



Das 12-Spartenhaus von Vegard Vinge und Ida Müller from Martin Boettcher on Vimeo.


Ich habe über Vegard Vinge und Ida Müller schon viel geschrieben und erzählt, hier und hier und hier beim Technoarm und dann auch noch im Deutschlandradio Kultur (jetzt Deutschlandfunk Kultur), eine gewisse Begeisterung scheint da bei mir durch! Und jetzt gibt es tatsächlich Neues von den beiden, nach mehr als vier Jahren Sendepause. Unter dem Dach der Berliner Festspiele haben sie im wirklich farblosesten Bezirk Berlins das "Nationaltheater Reinickendorf" gegründet. Der Name allein verrät schon wieder ordentlich Größenwahn, am 1. Juli steht die erste Vorstellung von was auch immer an - und ich freue mich sehr, sehr, sehr darauf. Mehr an dieser Stelle!

Hölle, das sind immer die anderen: DJ Hells Zukunftsmusik

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Kann er es noch? Helmut Geier alias DJ Hell alias Hell hat ein neues Album. Es heißt Zukunftsmusik. Heißt das, dass hier die Musik der Zukunft wartet? Sicherlich nicht, wir haben es mit einer Art Retrofuturismus zu tun: Musik, wie sie vor Jahrzehnten gemacht wurde, die sich aber damals soundmäßig die Zukunft vorgestellt hat. Einfacher ausgedrückt: es ist eine veraltete Vorstellung der Zukunft. Das heißt aber nicht, dass die musikalischen Vorstellungen von Hell veraltetet sind, er hat sich diesen Sound ja ganz bewusst gesucht, weil er eine bestimmte Epoche der Musik noch einmal wiederauferstehen lassen will. Verschachtelt und verwirrend? Dann noch einmal ganz anders: Hell hat für diese neue Platte 14 Songs erschaffen, die zum Teil nichtssagend, zum Teil ganz gut sind. Vor allem die Tracks, in denen etwas mehr passiert, haben sich mit mir angefreundet ("Wild at Art", "Wir reiten durch die Nacht", "Guede" und vor allem "I Want U"). Aber insgesamt geht das schon in Ordnung. Denn wer hätte gedacht, dass der Herr Geier überhaupt noch mal was abliefert? Ach ja, bevor ich es vergesse: Im Musikexpress gibt es eine schöne Foto- und Fragenstrecke mit Hell, Titel: "Als Anzüge noch provozierten: DJ Hell über Mode und Techno". Hat mir auch gefallen.

Ein blauer galaktischer Sturm namens Pilocka

Pilocka_Krach
Das Internet vergisst nur selten: vor Jahren tritt Pilocka Krach in Halle an der Saale auf, auf dem Kopf eine pinkfarbene Perücke, Sonnenbrille, krachig und verzerrt performt sie ihre Version des NDW-Hits „Eisbaer“. Nur eine Handvoll Menschen war damals live dabei, aber einer von ihnen hatte eine Kamera mit: Youtube lässt grüßen. Das Video des Auftritts aber führt in die Irre. Pilocka Krach ist nämlich mittlerweile eine ganz andere. Nicht albern, nicht improvisierend, nicht nachahmend, sondern eine der interessantesten Musikerinnen, die die elektronische Musik aus Berlin derzeit zu bieten hat.

Der Beweis kommt am 28. April, wenn Pilocka Krach auf ihrem eigenen Label ein Konzeptalbum veröffentlicht: Sugar Cane & The Lost Amigos, 17 Songs auf zwei Vinylplatten oder 10 (plus Intro und Outro) auf CD. Ein wilder Ritt, mit dem sie zeigt, wie unterschiedlich Musik aus Berlin klingen kann. Read and rave on nach dem Klick ...

Jeff Mills reist zu den "Planets"

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Jeff Mills, vor 53 Jahren in Detroit, Michigan geboren, wirkt ein bisschen so, als würde er sich auf der Erde nicht wohlfühlen. Schlank und feingliedrig, mit neugierigen, mandelförmigen Augen, in den kurzgeschorenen Haaren eine einsame, seltsam wirkende graue Stelle. Schwer zu sagen, was ihn NOCH alles antreibt, aber Techno, der Weltraum und die Kunst sind drei Hauptfelder, die ihn sehr interessieren: "So lange ich denken kann, habe ich mich für den Weltraum interessiert. Es wird an den Mond- und Space-Shuttle-Expeditionen der NASA gelegen haben – und meiner Vorliebe für Science Fiction. Da muss man einfach Fantasy-Geschichten lieben!" Read and rave on nach dem Klick ...

Einsam und wunderschön: Kangding Ray

Kangding_ray
Da ist also mal wieder eins! Ein lupenreines Techno-Album, das ich so gut finde, dass ich nicht nur hier darüber schreiben möchte, sondern es auch immer und immer wieder höre: Kangding Rays neue Platte Hyper Opal Mantis. Das Cover zeigt schon an, worum es darauf geht, nämlich um Musik, in der der Mensch keinen Platz hat, auch wenn viel, viel Platz da ist. (Nicht, dass ich das Cover wirklich verstanden hätte, aber das waren so die Gedanken, die mir zuerst kamen).
Kangding Ray, das ist das Pseudonym von David Lettelier, einem Franzosen, der seit einiger Zeit in Berlin lebt und der vor allem durch seine Veröffentlichungen bei Raster-Noton bekannt geworden ist. Und jetzt also sein Hyper Opal Mantis. Um es kurz zu machen: ich mag das vor allem deshalb, weil die Tracks eine psychedelische Wirkung haben. Man wird beim Hören, vor allem … Read and rave on nach dem Klick ...

Alte Bekannte mit neuem „Spirit“

DM
Da ist sie also wieder, die Band, nach der man die Uhr stellen kann. Vier Jahre nach ihrem letzten Album, das vier Jahre nach dem davor kam, welches vier Jahre nach dem davor, welches vier Jahre ...(nicht schwer zu verstehen, dieses System) überraschen Depeche Mode so gar nicht mit einer neuen Platte.

Spirit heißt sie und sie klingt, auch wenn die harten Fans, von denen es vor allem in Deutschland so viele gibt, das vehement bestreiten werden, wie alle Depeche-Mode-Alben seit Jahrzehnten eben klingen: schwer, ein bisschen düster, ein Hybrid aus elektronischen Sounds und ein bisschen Rockgehabe, aus ausgiebig wiederholten Parolen, aus mal deutlicher, mal unkonkret-angedeuteter Unzufriedenheit mit der Welt im allgemeinen und im privaten, aus ein bisschen Erotik. Read and rave on nach dem Klick ...

Endlich: Video aus dem Berghain!

Das ist … witzig. Wirklich. Auch wenn Berghain-Witze ja mittlerweile ähnlich inflationär unterwegs sind wie die mit immer neuen Untertiteln versehene Bunker-Szene mit Bruno Ganz als Hitler. Oder der sich totlachende, zahnlose Komiker, der eine immer andere Geschichte erzählt, die er nicht fassen kann. Aber die haben hier beim Technoarm nichts zu suchen - im Gegensatz zum Berghain. Ich war ja neulich mal wieder da und habe gerne getanzt. Acht Stunden, die im Flug vergingen. Aber ich schweife ab. Also: Berghain inside! Die Musik unter dem Clip stammt übrigens von Head High. Der Track heißt Rave (Dirt Mix). Aber das nur am Rande.

Mobilegirl weiß, was sie will

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Mobilegirl ist der Künstlername der 23-jährigen Bao-Tran Tran. Die in Berlin lebende Musikerin ist im Rahmen des diesjährigen CTM zu erleben. Wenn alles nach Plan läuft, dann wird das aber nicht das letzte Mal sein, dass man von ihr hört. Denn sowohl als DJ wie auch als Produzentin geht sie Wege abseits der ausgetretenen Pfade (um mal diese ausgetretene Formulierung zu benutzen).
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Deadmau5 hat Ärger ... wegen seiner Katze

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Kannste dir nicht ausdenken: Deadmau5, dieser kanadische Electro-EDM-irgendwas-Musiker, dessen Markenzeichen ein überdimensionaler Plastikkopf ist, der gleichermaßen an Mickey Mouse wie an die Diddl-Maus erinnert, muss jetzt gegen einen Fan vorgehen. Nicht wegen seines Maskenkopfes (da beschäftigte ihn zuletzt ein ziemlich kostspieliger Streit mit dem Disneykonzern), sondern wegen seiner Katze. Diese Katze wurde 2010 von Joel Zimmermann alias Deadmau5 adoptiert, heißt Meowingtons, manchmal auch Prof. Meowingtons, und soll das einzige Tier mit einem verifizierten Twitter-Account sein. Meowingtons, der wegen seines intensiven Miauens so heißt, tauchte schon auf Deadmau5-Alben, auf Werbematerial und Merchandising-Artikeln auf. Die Rechte an der Internet-Präsenz meowington.com aber hat jemand anderes, wie Zimmermann vor einiger Zeit herausfand. Jetzt versucht der Deadmau5, der in den letzten Jahren ordentlich vom EDM-Boom profitiert hat, die Markenrechte in Sachen Meowingtons zurückzubekommen. Ob er im Erfolgsfall neue Meowingtons-Kopfhörer speziell für Katzen herausbringen wird? Hat er nämlich schon mal!